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LiteraturDeutschland

Salman Rushdie: "Meine Waffe ist die Sprache "

Sabine Kieselbach
17. Mai 2024

Der Schriftsteller stellte in Berlin sein jüngstes Buch vor. "Knife" ist ein Essay darüber, wie Salman Rushdie vor zwei Jahren den Messerangriff auf ihn erlebt hat.

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Ein Mann mit Brille, ein Glas ist schwarz
Bei der Lesung in Berlin wurde Salman Rushdie vom Publikum gefeiertBild: Penguin Random House

Eigentlich hatte Salman Rushdie gehofft, all das für immer hinter sich gelassen zu haben. Den Personenschutz, die Kontrollen des Publikums. All das ist seit dem 12. August 2022 wieder notwendig geworden, als der Schriftsteller bei einem Messerangriff im Bundesstaat New York fast getötet worden wäre. 33 Jahre nach der Fatwa durch den damaligen iranischen Revolutionsführer Ayatollah Chomeini, der Rushdies Roman "Die Satanischen Verse" als blasphemisch verurteilte. 

Bevor Rushdie im Deutschen Theater auf Einladung des Internationalen Literaturfestivals in Berlin auf die Bühne trat, traf er - unter höchster Geheimhaltung - Bundeskanzler Olaf Scholz und später auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der sprach Rushdie seinen tiefen Respekt dafür aus, dass er nach wie vor ein leidenschaftlicher Verfechter der Demokratie und der Freiheit sei. 

Salman Rushdie erhält Friedenspreis

Mit Liebe gegen den Hass - aber auch mit Humor 

600 Menschen sind am Abend gekommen, um Rushdie live zu erleben. Angekündigt sind eine Lesung und ein Gespräch über dessen jüngstes Buch: "Knife. Gedanken nach einem Mordversuch". "Ich bin glücklich, hier zu sein", sagt Rushdie zum Publikum, das ihn mit tosendem Beifall begrüßt, "auch wenn ich Sie leider nicht sehen kann." Denn der Schriftsteller hat bei dem Attentat ein Auge verloren - sein Sehvermögen auf dem anderen ist eingeschränkt. Den Humor, das wird schnell deutlich, hat Rushdie nicht verloren. 

Die Dramaturgie des Abends folgt dem Aufbau des Buches: Rushdie beschreibt, wie er das Attentat erlebt hat, und die Tage danach, als die Ärzte um sein Leben kämpften. Er hat nicht nur ein Auge verloren, seine Organe waren verletzt, Nerven durchtrennt. Er wurde künstlich beatmet, und zunächst war es alles andere als klar, ob er überleben würde - und in welchem Zustand. Wie hat er sich danach ins Leben zurück gekämpft? 

Mit sehr viel Willenskraft - und mit sehr viel Liebe, das wird Rushdie nicht müde zu betonen. Die Liebe seiner Schwester, seiner Söhne, aber vor allem die seiner Frau Rachel Eliza Griffiths, selbst Dichterin und Künstlerin, die ihn auch auf dieser Lesetour begleitet. 

Ein Mann und eine Frau stehen nebeneiander, sie zeigt das Buch "Knife"
Salman Rushdie mit seiner Frau Rachel Eliza Griffith in Berlin Bild: Sabine Kieselbach/DW

Schreiben als Therapie

Nach Wochen im Krankenhaus, nach schmerzhaften Behandlungen und einer Reha geht es in den kommenden Monaten kontinuierlich bergauf - und Rushdie wird klar, dass er wieder schreiben muss. Schreiben als Therapie. Dazu gehört die Erinnerung an das Attentat, die Konfrontation mit seinem Schmerz und seinen Verletzungen, aber auch die Auseinandersetzung mit dem Täter. 

Rushdie nennt ihn auch in Berlin nur "A." - wie Attentäter. Erst dachte er daran, ihn zu treffen. Aber nachdem er las, dass der junge Mann nicht mal sein Buch kannte, sondern lediglich ein paar hetzerische Youtube-Videos gesehen hatte, nahm er davon Abstand. Hätte ich eine solche Romanfigur erfunden, witzelt Rushdie, hätte mein Verleger gesagt: unglaubwürdig, keine überzeugende Figur. 

"Knife" ist ein bewegendes Buch über das Überleben nach einem Mordversuch. Es ist auch der Versuch Salman Rushdies, die Kontrolle über sein Leben zurückzugewinnen, auf den Messerangriff mit seinen eigenen Mitteln zu reagieren - mit der einzigen Waffe, die er beherrscht, der Waffe der Sprache, sagt er in Berlin. Und mit dieser Waffe kämpft er weiter für die Freiheit des Wortes und der Literatur. 

Das Publikum in Berlin feiert Salman Rushdie für seine Kraft, seinen Humor und auch für seine so wichtige Botschaft. Dafür, das ist an diesem Abend noch einmal klar geworden, zahlt Rushdie einen furchtbaren Preis. 

Ein Büchertisch, daneben das Schild. Vom Autor signierte Exemplare
Andrang am Büchertisch Bild: Sabine Kieselbach/DW

Zur Person: Salman Rushdie wurde 1947 als Sohn muslimischer Eltern im indischen Mumbai (Bombay) geboren. 1989 verurteilte ihn der iranische Revolutionsführer Ayatollah Chomeini wegen seines Romans "Die Satanischen Verse" mit einer Fatwa zum Tode; jahrelang lebte Rushdie unter Polizeischutz in verschiedenen Verstecken. Im Sommer 2022 versuchte ein junger Islamist das Todesurteil mit einem Messeranschlag zu vollstrecken. Rushdie gilt heute als leidenschaftlicher Verfechter der Meinungsfreiheit.