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PolitikGeorgien

Streit um geplantes NGO-Gesetz in Georgien wird schärfer

30. April 2024

Das georgische Parlament befasst sich erneut mit einem umstrittenen Gesetz, das für massiven Protest sorgt. Am Montag gab es hingegen eine Massenkundgebung für das Gesetz. War diese Großdemo nur inszeniert?

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Demonstration in Georgien | Pro-Regierungs-Kundgebung in Tiflis (29.04.2024)
Pro-Regierungs-Kundgebung in Tiflis (am Montag)Bild: Shakh Aivazov/AP/dpa/picture alliance

Es ist ein Gesetz, das angeblich für mehr Transparenz in Georgien sorgen soll. Trotz massenhafter Proteste in den vergangenen Tagen treibt die Regierung des Landes im Südkaukasus dieses Vorhaben weiter voran. Das Parlament in Tiflis befasst sich an diesem Dienstag in zweiter Lesung mit dem Gesetz zur Kontrolle von Einflussnahme aus dem Ausland. Viele Georgier sehen darin aber ein mögliches Mittel, um die Zivilgesellschaft zu kontrollieren.

Der Entwurf sieht vor, dass Nichtregierungsorganisationen ausländische Geldquellen offenlegen müssen. Die Regierungspartei Georgischer Traum will mit dem Gesetz Organisationen dazu verpflichten, sich behördlich registrieren zu lassen, wenn diese zu mindestens 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden.

Viele Projekte zur Demokratieförderung in Georgien bekommen Unterstützung vom Westen, etwa mit Geld aus der Europäischen Union und den USA. Kritiker befürchten, dass dieses Gesetz nach russischem Vorbild missbraucht werden soll, um Geldflüsse zu stoppen und prowestliche Kräfte zu verfolgen.

Protest und Beifall

Zuletzt gingen am Sonntag rund 10.000 Menschen in Tiflis auf die Straße, um gegen das Vorhaben der Regierung zu demonstrieren. Die Kundgebung wurde von einem breiten Bündnis aus Oppositionsparteien und Menschenrechtsgruppen organisiert. Dabei war es auch zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen.

Georgien | Protest in Tiflis -Auseinandersetzungen zwischen Regierungskritikern und Polizisten in Tiflis (28.04.2024)
Auseinandersetzungen zwischen Regierungskritikern und Polizisten in Tiflis (am Sonntag)Bild: Zurab Tsertsvadze/AP Photo/picture alliance

An diesem Montag brachte dann die Regierungspartei Georgischer Traum, die das Gesetz weiter vorantreibt, ihre Anhänger in Tiflis zusammen. Die Straßen im Zentrum der Hauptstadt waren voll von regierungsfreundlichen Demonstranten. Hunderte Busse hatten sie selbst aus den abgelegenen Regionen Georgiens nach Tiflis gebracht. Von mehr als 100.000 Kundgebungsteilnehmern ist in Medienberichten die Rede.

Die georgischen Oppositionsparteien werfen der Regierung indes vor, Beamte zur Teilnahme an der Demonstration gezwungen zu haben. Unter den Kritikern ist auch Georgiens Präsidentin Salome Surabitschwili, deren Amt eher repräsentativen Charakter hat. Sie bezeichnete die regierungsfreundliche Kundgebung als eine Aktion vom "Typ Putin": "Beamte werden nach Tiflis 'gekarrt', um den Entscheidungen der Regierungspartei Beifall zu spenden."

Ein hochrangiges Mitglied der Regierungspartei wurde von lokalen Medien mit den Worten zitiert, dass die Partei ihre Anhänger bei Reisekosten und Transport unterstützt habe. Sie seien aber nur aus eigenem Antrieb nach Tiflis gekommen.

Am Montag kam auch der Rechtsausschuss des georgischen Parlaments zusammen, um die zweite Lesung des umstrittenen Gesetzes vorzubereiten. 14 Abgeordnete der Opposition wurden im Lauf der Sitzung ausgeschlossen.

Demonstration in Georgien | Bidzina Iwanischwili auf Pro-Regierung-Demo (29.04.2024)
Milliardär Iwanischwili bei der Kundgebung am Montag: "Kanonenfutter im Kampf gegen Moskau"Bild: Shakh Aivazov/AP/dpa/picture alliance

Die frühere Sowjetrepublik Georgien orientiert sich nach Westen und ist EU-Beitrittskandidat. Auch die Regierung von Georgischer Traum ist zwar für eine Annäherung an die Europäische Union, sie verficht aber zugleich eine Anlehnung an Russland. Der Milliardär Bidsina Iwanischwili, der starke Mann in der Partei, warf am Montag dem Westen vor, Georgien wie die Ukraine als "Kanonenfutter im Kampf gegen Moskau" zu missbrauchen.

Kritik aus der Europäischen Union

Die EU und viele ihrer Mitgliedstaaten haben das geplante Gesetz über sogenannte Auslandsagenten scharf kritisiert. Politische Stiftungen aus Deutschland, die in Georgien aktiv sind, warnten davor, es in Kraft treten zu lassen. "Sollte das Gesetz verabschiedet werden, würde das die Arbeit der georgischen Zivilgesellschaft und der unabhängigen Medien, die einen enormen Beitrag zum Demokratisierungsprozess Georgiens geleistet haben, erheblich einschränken", heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Stiftungen, die jeweils einer der Parteien CDU, SPD, Grünen und FDP nahestehen.

Die Regierungspartei Georgischer Traum hatte Anfang April angekündigt, den vor einem Jahr nach Massenprotesten mit Zehntausenden Teilnehmern zurückgezogenen Gesetzentwurf in geänderter Fassung erneut zur Abstimmung zu bringen. In einer ersten Version des Gesetzes sollten Organisationen, die finanzielle Unterstützung aus anderen Ländern erhalten, als "ausländische Agenten" eingestuft werden. Im aktuellen Entwurf ist die Rede von "Organisationen, die Interessen einer ausländischen Macht vertreten".

Gegner des Gesetzesvorhabens sehen Parallelen zu einem Gesetz gegen "ausländische Agenten" in Russland, das es den dortigen Behörden seit dem Jahr 2012 erlaubt, massiv gegen kritische Medien und Organisationen vorzugehen.

AR/jj (dpa, afp, rtr)

Redaktionsschluss: 16.00 Uhr (MESZ). Dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.