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Mönchsproteste gegen Minderheit

Rodion Ebbighausen4. September 2012

In Mandalay haben Tausende buddhistische Mönche gegen die muslimische Minderheit der Rohingya demonstriert. Der Protest zeigt: Das multiethnische Land ist tief zerrissen, Reformen sind dringend notwendig.

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Myanmar Buddhist monks stage a rally to protest against ethnic minority Rohingya Muslims and to support Myanmar President Thein Sein's stance toward the sectarian violence that took place in June between ethnic Rakhine Buddhists and Rohingya Muslims in western Myanmar, in Mandalay, central Myanmar, on Sunday, Sept. 2, 2012. (AP Photo/Khin Maung Win)
Proteste von Mönchen in MyanmarBild: dapd

Eine lange Reihe dunkelrot gekleideter Mönche zieht am Sonntag (02.09.2012) durch die Straßen von Mandalay. Neugierige und Unterstützer flankieren die Straßen. Auf einem Banner steht: "Schützt Mutter Myanmar, indem ihr den Präsidenten unterstützt!"

Es sind die gleichen Mönche, die 2007 noch gegen die Militärregierung, der auch der heutige Präsident Thein Sein angehörte, protestiert haben und deren Proteste damals mit brutaler Gewalt niedergeschlagen wurden. Das bestätigt der Myanmar-Experte Hans-Bernd Zöllner im Gespräch mit DW.DE.

180-Grad Wendung?

Wie ist es zu dem Meinungsumschwung gekommen? "Die Muslime und speziell die Rohingya waren schon immer die Prügelknaben", so Zöllner. Es handele sich um eine traurige Tradition, die bis in die Kolonialzeit zurückreiche. Die muslimischen Rohingya leben vor allem in der im Westen gelegenen, an Bangladesch grenzenden Provinz Rakhaing. Sie gelten nicht als Staatsbürger und gehören keiner der von der Regierung anerkannten ethnischen Minderheiten an. Die Vereinten Nationen zählen sie zu den am stärksten bedrohten Völkern der Welt.

UN-Sonderberichterstatter Tomas Ojea Quintana bei einer Pressekonferenz (Foto: REUTERS/Soe Zeya Tun)
UN-Sonderberichterstatter Tomas Ojea Quintana wird von den Mönchen kritisiertBild: Reuters

In den letzten Monaten kam es zwischen der buddhistischen Mehrheit und der muslimischen Minderheit in Rakhaing zu blutigen Unruhen. Mindestens neunzig Menschen verloren ihr Leben.

Doppeltes Spiel des Präsidenten

Auf der einen Seite hat Präsident Thein Sein buddhistische Mönche und Politiker beschuldigt, die Unruhen zu befeuern. Zugleich hat er im Juli aber auch gegenüber dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen geäußert, dass es unmöglich sei, die seiner Ansicht nach illegal eingewanderten Rohingya anzuerkennen, die nicht der burmesischen Ethnizität zugehörten.

Diese Äußerungen gegenüber dem UN-Flüchtlingshilfswerk haben die Mönche am Wochenende aufgegriffen, um gegen die Rohingya und gegen die UN vorzugehen. "Die Protestler benutzen die UN als eine Art Ziel für ihre Wut, indem sie behaupten, die UN stünde in der Sache nur auf der Seite der Rohingya und würde die Rakhein nicht unterstützen", sagte der stellvertretende Leiter von Human Rights Watch (HRW) in Asien, Phil Robertson. "Das fundamentale Problem ist, dass die Mönche und ihre Unterstützter einen verzerrten Blick auf die Realität haben." Nach Auskunft von Robertson unterstützte die UN nachweislich auch Buddhisten im Rakhaing.

Ressentiments dringen an die Oberfläche

Diese verzerrte Realität, in der Rassismus und Diskriminierung eine zentrale Rolle spielen, ist allerdings kein neues Problem. Marco Bünte, Myanmar-Forscher aus Hamburg, vermutet, dass nun an die Oberfläche kommt, was immer schon in der Gesellschaft existierte: "Mit zunehmender Freiheit entsteht Raum für das Ausleben zum Teil alter Ressentiments."

Aung San Suu Kyi äußert sich im Parlament. (Foto:Khin Maung Win/AP/dapd)
Aung San Suu Kyi äußert sich sehr verhalten zu den RohingyaBild: dapd

Asien-Experte Zöllner fasst das Problem noch grundsätzlicher: "Meiner Einschätzung nach ist Myanmar mit seiner multiethnischen, spannungsvollen Zusammensetzung ein Pulverfass, das ohne eine starke Hand auseinanderplatzt." Der Blick des Westens auf diese gefährliche Gemengelage sei in den letzten Jahren und Monaten durch Aung San Suu Kyi und den Demokratisierungsprozess vernebelt worden.

Zöllner bestreitet dabei nicht, dass die Reformen notwendig und richtig waren, hält sie aber für nicht ausreichend. Vor allem brauche es viel mehr Zeit. "Die Reformen sind eine notwendige Voraussetzung für Versöhnung und inneren Frieden. Langfristig müssen die ökonomischen, ethnischen und kulturellen Unterschiede beseitigt werden. Das wird 20 bis 40 Jahre dauern."

Düstere Aussichten für Minderheiten

Das Schicksal der Rohingya bezeichnet Phil Robertson von HRW als entscheidenden Markstein für die Demokratisierung: "Die Rohingya sind ein wichtiger Testfall für ein multiethnisches Myanmar. Leider hat die Regierung bisher versagt", da sich die Sicherheitskräfte auf die Seite der Buddhisten geschlagen hätten.

Zöllner entwirft ein anderes, düsteres Bild für die Zukunft der muslimischen Minderheit: "Die Rohingya-Problematik ist eine Sonderproblematik." Für den Zusammenhalt des Landes sei sie von untergeordneter Bedeutung. Keine Partei, weder die Regierung noch die Opposition oder Aung San Suu Kyi, könne sich auf die Seite der Rohingya stellen, ohne bei der Mehrheit der Bevölkerung an Einfluss zu verlieren. Solange die strukturellen Probleme des Landes für die buddhistische Mehrheit nicht gelöst sind, ist es unwahrscheinlich, dass sich die Lage der Rohingya verbessert.