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Piloten künftig chronisch übermüdet?

2. Oktober 2012

Nach 22 Stunden ohne Schlaf ein Passagierflugzeug sicher landen zu müssen - dieses Szenario könnte bald Realität werden. Die Europäische Flugsicherheitsbehörde will die Arbeitszeit für Piloten deutlich erhöhen.

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Blick ins Cockpit einer Passagiermaschine (Foto: Fotolia/Marcito)
Symbolbild Pilot Cockpit ÜbermüdungBild: Fotolia/Marcito

Die Pilotenvereinigung Cockpit schlägt Alarm: Schon heute geht in der Berufsluftfahrt mindestens jeder fünfte Zwischenfall am Boden oder in der Luft auf übermüdete Piloten zurück, wie Cockpit-Präsident Ilja Schulz in Berlin erläuterte.

Derzeit dürfen Piloten auf Kurz- und Mittelstrecken innerhalb Europas tagsüber maximal 14 Stunden im Cockpit sitzen. In der Nacht sind nur zehn Stunden erlaubt.

Piloten warnen vor Unfall-Risiko

Nach dem Entwurf der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) sollen Piloten künftig deutlich länger am Steuerruder sitzen dürfen. Vor allem die vorgeschlagene Ausweitung der Arbeitszeit in der Nacht auf bis zu 13 Stunden sieht die Pilotenvereinigung schlichtweg als "Gefahr für die Flugsicherheit".

Die vorgesehenen Arbeitszeiten bis zu 16 Stunden und maximale Flugzeiten bis zu 14 Stunden stünden im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, wonach das Unfallrisiko schon bei einer Dienstzeit von 13 Stunden um das Fünfeinhalbfache steige, führte Schulz weiter aus.

Piloten und Flugbegleiter demonstrieren im Mai vor der Zentrale der Europäischen Agentur für Flugsicherheit in Köln. Sie tragen ein Schild mit der Aufschrift "Flight Safety First" (Foto: dapd)
Piloten und Flugbegleiter demonstrieren vor der Zentrale der Europäischen Agentur für Flugsicherheit in KölnBild: dapd

Landung erfordert volle Konzentration

Er wies darauf hin, dass es schon jetzt tägliche Flugdienstzeiten von 14 Stunden gebe. "Bei der Landung sind Piloten dann 16 bis 18 Stunden wach. Am Ende einer solchen Dienstzeit steht die Landung. Landungen im Nebel, bei Schnee oder Gewittern lassen aber keinen Spielraum für Erschöpfung", betonte Schulz.

Nach seinen Worten sinkt das Leistungsvermögen der Piloten nach einer durchflogenen Nacht auf 20 Prozent. Im Mai hatten Piloten einer Passagiermaschine einen Notruf abgesetzt und ihr Flugzeug auf dem Münchener Airport per Autopilot landen lassen, weil sie völlig übermüdet waren. In den USA zog man nach ähnlichen Zwischenfällen Anfang des Jahres Konsequenzen und senkte die Arbeitszeit der Piloten in der Nacht auf neun Stunden.

"Profit rangiert vor Sicherheit"

Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg beklagte: " Statt der Sicherheit der Menschen oberste Priorität einzuräumen, setzt man sie bewusst vermeidbaren Risiken aus." Er warf der Europäischen Flugsicherheitsbehörde vor, die Sicherheit im Luftverkehr wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen. Schon heute könne fast jeder Flugkapitän davon berichten, dass er nach einem anstrengenden Arbeitstag im Cockpit eingenickt sei oder den Kollegen neben sich habe wecken müssen.

Im Sommer nächsten Jahres soll der Entwurf der EASA in das EU-Recht aufgenommen werden. Vorausgesetzt, der Europäische Rat und das Parlament haben dem Papier zugestimmt. Die Piloten-Vereinigung kündigte an, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um noch längere Arbeitszeiten zu verhindern.

se/rb (dapd, dpa, afp)