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Do-It-Yourself - ein Mega-Trend

Sabine Oelze7. Januar 2013

Gärtnern, Basteln, Stricken: Diese Hobbys sind wieder im Kommen. Das Schlagwort heißt "Do-It-Yourself": Menschen wollen wieder mit den eigenen Händen etwas herstellen - als Ausgleich zum fremdbestimmten Berufsleben.

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Jünge häkelt eine rote Mütze Foto:dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Susanne Kickern sitzt an einer Nähmaschine im "NähBüro" in Köln. Beruflich ist die Kulturmanagerin viel unterwegs und hat immer ein Telefon am Ohr. "Nähen", sagt sie, "hilft mir, zur Ruhe zu kommen". Bis auf das Rattern der Nähmaschinen und das Dampfen des Bügeleisens herrscht um sie herum eine entspannte Ruhe. Fünf Frauen sind über Schnittmuster und Bügelbretter gebeugt und arbeiten konzentriert.

Sie nähen nicht, um Geld zu sparen. Nach einem langen Arbeitstag im Büro möchten sie in ihrer Freizeit selbst bestimmen, womit sie sich beschäftigen. Und es geht ihnen darum, wieder etwas selber herzustellen. "Ich finde es sehr angenehm, dass ich mich nur mit einer Sache beschäftige und mich darauf konzentriere und vor allem etwas mit den Händen tue", sagt Kickern, die nicht nur selber näht, sondern auch selbst geerntetes Gemüse und Obst einkocht. Tätigkeiten, die in Deutschland jahrzehntelang nicht zum Bild eines modernen Menschen passten, sind wieder in Mode.

Mit den Händen arbeiten, um zu sich zu finden

Innenansicht des NähBüros mit Nähmaschinen und Stoffen Foto: NähBüro
Schneidern kann auch eine Art Therapieersatz sein - das "NähBüro" in KölnBild: NähBüro

Trendforscherin Ines Imdahl, Geschäftsführerin beim Rheingold Institut, spricht sogar von einem "Megatrend", der sich bereits 2011 abzeichnet habe. In einer Studie hat das Rheingold-Institut Menschen in Deutschland befragt, was sie am liebsten in ihrer Freizeit tun. Vermeintlich spießige Hobbys wie Stricken, Nähen oder Gärtnern landen auch bei jungen Leuten plötzlich auf Spitzenplätzen. Die Ursache sieht Imdahl in der ständigen Verfügbarkeit, dem "Standby-Modus", in dem sich viele moderne Arbeitnehmer in Deutschland permanent befinden.

Frauen genauso wie Männer fühlen sich fremdbestimmt und in ihrem Arbeitsalltag, der meist daraus besteht, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, gehetzt. "Viele können eine Tätigkeit in ihrem Beruf nicht vom Anfang bis zum Ende durchführen. Dieser Kontrollverlust hat dazu geführt, dass wir angefangen haben, kleine Nebenwerke zu suchen, wo wir selber bestimmen, wann fängt es an, wann hört es auf und wann haben wir es komplett fertiggestellt", erklärt Imdahl die Entwicklung. Beim Nähen - das hat auch Susanne Koch, Initiatorin des "NähBüros", bei ihren Kursteilnehmern beobachtet - geht es nicht nur darum, sich kreativ auszutoben. Vor allem für die Erwachsenen gleiche es einer "Therapie, sich mit einem Handwerk zu beschäftigen".

Do-It-Yourself füllt eine Marktlücke

In Deutschland hat sich ein erstaunlich großer Markt entwickelt, der sich nur darum dreht, dass Männer und Frauen in Gesellschaft handarbeiten, basteln und tüfteln können. Sie nähen in öffentlichen Cafés oder betreiben Ackerbau. Viele Großstädter, die sich keinen eigenen Garten leisten können, suchen etwa ihr Glück auf einem Stück Feld. Sie mieten Parzellen, um Gemüse anzubauen. Die neuen Freizeitbeschäftigungen haben nicht nur mit der Wiederentdeckung der Langsamkeit zu tun, sondern auch mit dem Wunsch vieler Menschen, sich vom Massengeschmack, von der Massenfertigung und von der Massenindustrie abzugrenzen.

"Wer macht, hat Recht"

In der "Dingfabrik" in Köln werden Lampen, Stempel oder auch Vogelhäuschen gebaut.( Foto: Dingfabrik)
Bastelnachmittag in der "Dingfabrik" in KölnBild: Dingfabrik

Während seine Kollegen freitagabends mit einem Bier in der Kneipe stehen, lässt der Systemadministrator Uwe Ziehenhagen seine Woche lieber mit dem Bastelnachmittag in den Vereinsräumen der "Dingfabrik" in Köln ausklingen. Vier Werkstätten stehen ihm dort  in einer ehemaligen Gasmotorenfabrik zur Verfügung. "Bei meiner normalen Tätigkeit sitze ich den ganzen Tag am Rechner, und wenn ich mit meinen Händen etwas machen will, geht das nicht", erklärt er. In der "Dingfabrik" wird gebastelt: Lampen, Stühle, manche beschäftigen sich auch einfach nur mit Origami. "Wir vertreten hier die Maxime: Wer macht, hat Recht", erklärt Uwe Ziehenhagen, der seit zwei Jahren regelmäßig zum "Bastelnachmittag" kommt.

Selbstverwirklichung, Konsumverzicht, aber vor allem ein starker Gemeinschaftsinn seien wichtige Antriebe für die wachsende Gemeinde der Do-It-Yourself-Anhänger, sagt Ines Imdahl. "Dass die Menschen gemeinsam handwerken, liegt daran, dass unsere ganze Gesellschaft im Stress ist", diagnostiziert die Trendforscherin. Wir erleben durch die Eurokrise einen zusätzlichen Druck. Selbermachen bedeutet Freiraum, und natürlich ist die Freude noch größer, wenn die Ergebnisse von jemandem wertgeschätzt werden, der selber auch seine Blümchen zum Blühen gebracht hat."