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Krisenregion von globaler Bedeutung

Rodion Ebbighausen28. November 2013

Vor der Küste Chinas braut sich seit Jahren ein Sturm zusammen. Die wirtschaftliche Supermacht streitet mit den Anrainerstaaten der Meere um Ressourcen und Einfluss. Eine Eskalation hätte weltweite Folgen.

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In this photo taken Dec. 16, 2011 and released by U.S. Navy, its aircraft carrier USS Abraham Lincoln (CVN 72) transits through the Pacific Ocean. Lincoln, underway on deployment to the 5th and 7th Fleet areas of responsibility, is changing homeports from Everett, Wash. to Norfolk, Va. following deployment for a periodic refueling complex overhaul, the navy said. (AP Photo/U.S. Navy, Mass Communication Specialist Seaman Zachary S. Welch)
Abraham Lincoln Flugzeugträger USABild: AP

Die Experten sind sich einig: Eine Zuspitzung der Konflikte im Süd- und Ostchinesischen Meer hätten weit über die Grenzen der Meere hinaus Auswirkungen. Nicht nur der Welthandel käme ins Stocken, sondern auch die globale Sicherheitsarchitektur könnte ins Wanken geraten.

Zwei der größten Wirtschaftsnationen der Welt – China und Japan – bilden die Antagonisten des Streits im Ostchinesischen Meer. Als große Exportnationen, die zugleich erhebliche Mengen Rohstoffe importieren, verfügen beide Länder über ein weltweites Netz von Handelspartnern. Auch das Südchinesische Meer nimmt im weltweiten Güterumschlag einen überregional bedeutenden Stellenwert ein. 40 Prozent aller weltweit verschifften Güter nehmen eine Route durch eines der beiden Meere. Mit Shanghai, Singapur und Hongkong liegen die drei größten Häfen der Welt an ihren Küsten. Zusammen werden in den drei Häfen mehr als 86 Millionen Container jährlich umgeschlagen. "Diese Meere bilden eine Schlüsselregion im weltweiten Containerverkehr", fasst der Asienexperte Eberhard Sandschneider zusammen.

Umschlagplatz der Welt

Eine Eskalation wäre direkt in den USA und Europa spürbar, sagt Sandschneider: "Wenn China nicht mehr liefert, bleiben in Amerika die Regale von Walmart leer. Und das würde auch für manche Produkte in Europa gelten."

Ein Conatainerschiff auf dem Weg nach hamburg (Foto: Angelika Warmuth dpa/lno)
Für den Welthandel ist das Chinesische Meer eine SchlüsselregionBild: picture-alliance/dpa

Schon jetzt mache die angespannte Situation die Händler nervös: "Keine Containerlinie lässt beladene Schiffe gerne durch Regionen fahren, in denen auch nur gelegentlich militärisch agiert wird." Das gelte erst Recht bei einer offenen kriegerischen Auseinandersetzung, so der Experte der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik: "Tatsache ist: Wo Krieg geführt wird, leidet der Handel."

Kettenreaktion bis ins weltweite Sicherheitsgefüge

Die Gefahren für die globale Sicherheitsarchitektur ergeben sich aus der geostrategischen Bedeutung der Region.

Die Senkaku/Diaoyu-Inseln im Ostchinesischen Meer sind Chinas Tor zum Pazifik. Japans Souveränitätsanspruch auf die Inseln und umgebenden Gewässer könnte von China als Einschränkung seiner Freiheit gesehen werden, dieses Tor nach Belieben zu nutzen.Sollte es China jedoch gelingen, seine Souveränität über die Inseln zu etablieren, hätte es einen unangefochtenen Korridor zwischen japanischem und taiwanischem Territorium.

Der Asienexperte Gerhard Will von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin stellt mit Blick auf das Südchinesische Meer fest: "Strategisch-militärisch betrachtet liegt das Meer in einer Schlüsselposition, wodurch man nicht nur Südostasien, sondern auch den weiteren Raum Süd- und Ostasien kontrollieren kann."

Die USA als Sicherheitsgarant

Einige der militärisch schwächeren Konfliktparteien der Region sind mit den USA Sicherheitskooperationen eingegangen.

Drei Soldaten stehen vor einer amerikanischen und vietnamesischen Flagge (Foto: EPA/LUONG THAI LINH)
Im April 2012 hielten die USA und Vietnam gemeinsame Seemanöver abBild: picture-alliance/dpa

Mit der Republik China verbindet die USA der Taiwan Relations Act von 1979. In ihm ist festgeschrieben, dass die USA Taiwan mit Rüstungsgütern versorgen, um die eigenständige Verteidigungsfähigkeit des Landes zu gewährleisten.

Ähnlich enge sicherheitspolitische Beziehungen pflegen die USA zu Japan und den Philippinen. Präsident Obama hat auf seiner Asienreise im April 2014 sowohl die Verpflichtungen gegenüber Japan, als auch ein neues Sicherheitsbündnis mit den Philippinen bestätigt. Kurz darauf folgten gemeinsame Manöver.

Die Entwicklungen der letzten Monate zeigen: Nicht nur Japan, sondern auch die Philippinen und - wenn auch viel zurückhaltender - sogar Vietnam nähern sich den USA an. Sie alle fürchten den Aufstieg Chinas zur Supermacht. Ähnlich geht es den anderen Mitgliedsstaaten des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN).

Rüstungswettlauf

Besonders beunruhigend wirkt der Zuwachs bei den chinesischen Rüstungsausgaben. Von 2003 bis 2011 haben sich die Rüstungsausgaben der Volksrepublik mit fast 100 Milliarden Euro beinah verdreifacht, wie das Stockholmer internationale Friedensforschungsinstitut (SIPRI) berichtet. Die Ausgaben Chinas übertreffen damit die Militärausgaben aller in den Konflikt involvierten Anrainerstaaten zusammen. Dieser Trend hat sich 2012 und 2013 fortgesetzt.

Um im Inselstreit nicht völlig an Geltung zu verlieren und sich nicht allein auf die USA verlassen zu müssen, rüsten einige Länder ihre Marine auf. Vietnam zum Beispiel kaufte von Russland sechs Jagd-U-Boote der Kilo-Klasse, die 2014 ihren Dienst aufnehmen sollen, so Carlyle Thayer, Sicherheitsexperte und ehemaliger Professor der Universität von New South Wales (Australien).

Wie wahrscheinlich ist eine Eskalation?

Die International Crisis Group kommt in einem umfangreichen Bericht zum Südchinesischen Meer zu folgendem Schluss: "Obwohl ein größerer Konflikt unwahrscheinlich ist, nehmen die Spannungen zu und die Hoffnungen auf eine friedliche Lösung ab." Vor allem steige die Gefahr einer unbeabsichtigten Eskalation, da immer mehr militärische Kräfte in der Region operierten. "Kleine Ereignisse können völlig aus dem Ruder laufen", so der Asienexperte Sandschneider.

Die japanische Küstenwache keilt ein Boot chinesischer Aktivisten ein. (Foto: AP Yomiuri Shimbun, Masataka Morita)
Die japanische Küstenwache keilt ein Boot chinesischer Aktivisten einBild: dapd

Mit Blick auf das Ostchinesische Meer sind viele Experten noch skeptischer. Die größte Gefahr gehe, so Sandschneider, vom Nationalismus aus: "Eine der wichtigsten internen Triebkräfte in der Region ist ein nicht zu verachtender Nationalismus, der rationale Überlegungen ziemlich schnell ausschaltet." Der Nationalismus könnte die Regierungen nach jedem Zwischenfall in außenpolitische Abenteuer treiben – mit weltweiten Folgen.