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Parteilinie und Zensur unter Xi Jinping

Hans Spross14. Juni 2013

Unter Chinas neuer Führung ist politische Öffnung nicht in Sicht, im Gegenteil. Nun soll auch der akademische Bereich stärker unter Parteidisziplin gestellt werden. Wieweit das gelingen kann, ist umstritten.

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China-Experten sind sich weitgehend einig, dass von der neuen chinesischen Führung unter Xi Jinping keine einschneidenden politischen Reformen zu erwarten sind. Manche Beobachter sehen sogar eine Verhärtung der Parteilinie gegenüber Forderungen nach politischen Reformen. So wurden beispielsweise die Mikroblogs mehrerer prominenter kritischer Intellektueller Mitte Mai geschlossen.

Wie weit die Maßnahmen zur Unterdrückung kritischen Gedankenguts unter Xi Xinping tatsächlich gehen, ist unter Beobachtern allerdings umstritten. Die Kontrollen seien schärfer denn je, meint beispielsweise Li Cheng von Brookings Institution in Washington. "Die Herausforderungen für die Führung sind gewachsen, dementsprechend nimmt die Unterdrückung (kritischen Gedankenguts) zu“, so Li gegenüber der Nachrichtenagentur AP.

Maulkorberlass für Hochschulen?

So soll eine neue, zwar informelle, aber von der Parteispitze abgesegnete Direktive namens "Zentraldokument Nr. 9“ in Parteikreisen zirkulieren, wie mehrere Medien berichteten. Dort werden sieben "Tabuthemen" identifiziert, die vor allem im Hochschulbereich keinesfalls behandelt werden dürften. Dazu sollen Themen gehören wie universelle Werte, Pressefreiheit, Bürgerrechte, historische Fehler der Partei, die neue privilegierte Kapitalistenklasse Chinas, Unabhängigkeit der Justiz.

Der deutsche China-Experte Björn Alpermann von der Universität Würzburg hält sich in diesen Tagen in China auf und ist skeptisch, was die Existenz oder zumindest die Gewichtigkeit einer solchen Direktive betrifft. "Ich habe gestern per Zufall mit einem chinesischen Akademiker über das Thema gesprochen, für den schien das durchaus zu existieren. Ich habe allerdings heute (13.06.2013) noch mal an der Peking Universität herumgefragt, und dort einige Leute gesprochen, die sich da eher unsicher waren“, berichtete der Sinologe gegenüber der Deutschen Welle.

An der renommierten Peking-Universität sei "von diesem Dokument nichts angekommen", so die Einschätzung Alpermanns. "Da wird eher gemutmaßt, dass es sich um eine regionale Aktion handelt, aus der Gegend von Shanghai, wo das auch publik geworden ist, dass vielleicht ein Mitarbeiter der dortigen Propaganda-Abteilung etwas übers Ziel hinausgeschossen ist.“

"Heutige Propaganda eigentlich geschickter“

Der deutsche China-Experte zeigt sich auch "sehr verwundert“, dass man von Seiten der KPCh versuchen könnte, mit einem solchen umfassenden Erlass im akademischen Bereich die Partei-Linie durchzusetzen: "So eine Maulkorbdirektive würde extrem schlecht ankommen bei dieser intellektuellen Klientel, sowohl bei den Dozenten als auch bei den Studierenden“, so die Einschätzung Alpermanns.

Im Übrigen seien die Parteibehörden in China inzwischen "sehr viel geschickter, indem sie solche Themen wie Unabhängigkeit der Justiz nicht einfach verbieten, und schon gar nicht einem intellektuellen Publikum, sprich den Studenten, verbieten, darüber zu sprechen oder davon zu hören.“ Sondern vielmehr würden in China diese Begriffe sehr wohl benutzt, aber mit eigenen Inhalten gefüllt. "So hat sich das chinesische Regime den Begriff Menschenrechte sehr wohl zu eigen gemacht und eigene Definitionen vorgelegt und argumentiert, dass seine Politik den Menschenrechten, so wie es sie definiert, durchaus zuträglich ist. Andere Deutungen von Menschenrechten werden damit an den Rand gedrängt.“

Maoismus reloaded?

China-Beobachter Willy Lam aus Hongkong hält das "Zentraldokument Nr. 9" dagegen für beunruhigend. Insbesondere die Vorschrift, sich nicht mit den historischen Fehlern der Partei auseinanderzusetzen, sprich mit den Exzessen der Mao-Ära, hält er für signifikant: "Dadurch bereitet Xi Jinping das Feld für eine Neubelebung maoistisch-leninistischer Vorstellungen, wie etwa des 'demokratischen Zentralismus' und der kompromisslosen Unterdrückung von Abweichlern.“ Lam beruft sich auch auf politische Kreise in Peking, wo folgender Ausspruch die Runde mache: "Xi ist weniger der Sohn (des liberalen Xi Zhongxun) als vielmehr der Enkel von Mao Zedong.“

So weit will Björn Alpermann nicht gehen. Xi Jinping sei selbst mit seiner Familie in der Kulturrevolution negativ betroffen gewesen, insofern könne man ihm nicht unterstellen, dass er ein persönliches Motiv hätte, die Mao-Ära unter den Teppich zu kehren. Für ihn hat Xi Jinping andere Prioritäten: "Ich erwarte von ihm, dass er die wirtschaftliche Entwicklung weiter vorantreibt, gleichzeitig die Zügel straff hält und versucht, mit positiven ideologischen Neuerungen, wie der vielpublizierten Idee eines 'chinesischen Traums’, die Leute auf andere Gedanken zu bringen und irgendwelchen Forderungen nach politischen Reformen durchgreifender Art den Wind aus den Segeln zu nehmen.“

Liu Jiaobos Ehefrau Xia warnt Xi Jieping: "Chinesischer Traum" könnte zum Alptraum werden. (Foto: Reuters)
Liu Jiaobos Ehefrau Xia warnt Xi Jieping: "Chinesischer Traum" könnte zum Alptraum werdenBild: Reuters
Experten halten Maulkorberlasse an Chinas Hochschulen für wenig wirksam. (Foto: Stephan Scheuer)
Experten halten Maulkorberlasse an Chinas Hochschulen für wenig wirksamBild: DW
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