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"Nutzt US-Interessen mehr als Bangladesch"

Gabriel Dominguez | al4. Juli 2013

Die USA haben Zollvergünstigungen für Bangladesch ausgesetzt - als Reaktion auf die Unglücke in Textilfabriken. Doch hinter diesem Schritt stecke noch ein anderes Motiv, meint Wirtschaftsexperte J. N. Bhagwati.

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DAVOS/SWITZERLAND, 28JAN11 - Jagdish Bhagwati, Professor, Columbia University, USA listens during the session 'Revitalizing Global Trade' at the Annual Meeting 2011 of the World Economic Forum in Davos, Switzerland, January 28, 2011. World Economic Forum pixel
Jagdish Bhagwati Wirtschaftsexperte in Davos 2011Bild: picture alliance/Photoshot

DW: Präsident Obama hat angekündigt, die USA werden die Zollvergünstigungen für Bangladesch auf Eis legen. Die US-Regierung reagierte damit auf den Brand in einer Textilfabrik, bei dem im April mehr als 1.100 Menschen ums Leben kamen. Sie begründete die Entscheidung mit Sicherheitsproblemen und arbeitsrechtlichen Verstößen in Bangladeschs Textilindustrie. Welches Motiv steckt noch hinter diesem Schritt?

Jagdish N. Bhagwati: Die Obama-Regierung steht politisch tief in der Schuld der Gewerkschaften, vor allem des größten Gewerkschaftsverbands,  der "American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations"(AFL-CIO).  Viele Gewerkschafter fürchten die Konkurrenz der armen Länder: Sie glauben, dass der Handel mit Entwicklungsländern wie Bangladesch Menschen in den reichen Staaten Arbeit wegnimmt. Daher haben sie nur mit dem allergrößten Widerwillen Handelsvergünstigungen für Bangladesch zugestimmt - auch wenn die Zollerleichterungen noch nicht einmal umfassend, sondern nur begrenzt [für ca. 5000 Produkte, d.Red.] gelten. 

Diese Gewerkschaften sehen nun ihre Chance gekommen: sie hoffen, dass die weltweite Empörung über die schlechten Sicherheitsbedingungen in Bangladesch dazu führen wird, dass sich die Arbeiter stärker in Gewerkschaften organisieren. In der Folge steigen die Löhne und auch die Preise für Textilien. Die effektive Wettbewerbsfähigkeit des Landes nimmt ab - und ein Konkurrent ist aus dem Felde geschlagen, so das Kalkül. Die Aussetzung der Zollpräferenzen für Bangladesch bedeutet also, dass die konkurrierenden US-Unternehmen belohnt und die heimischen Gewerkschaften beschwichtigt werden.

Was bedeutet das für die Arbeiter in Bangladesch?

Höhere Löhne und Preise führen nur dazu, dass die Nachfrage nach Kleidung aus Bangladesch abnimmt. Das wiederum wird genau den Arbeitern schaden, denen die amerikanische Arbeitnehmer-Lobby angeblich helfen will. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die chinesischen Textilarbeiter von der enormen Steigerung der Exporte profitieren. Dies erhöhte den Bedarf an Arbeitskräften und sorgte für Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. 

Wie lange könnte die USA die Zollvergünstigungen aussetzen?

Die USA sind nicht verpflichtet, sie jemals wieder einzusetzen, das kann also unendlich so bleiben. In der Zwischenzeit besteht die Gefahr dass die ausländischen Kunden, wie zum Beispiel Einzelhändler wie Wal-Mart oder Disney weiterziehen zu anderen Produktionsstandorten.

Zollpräferenzen binden den gewährenden Staat in keiner Weise, sie sind quasi ein Almosen das willkürlich jederzeit zurückgezogen werden kann. Der Entzug ist gelegentlich dazu benutzt worden, zögerliche kleine Entwicklungsländer dazu zu zwingen, Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten abzuschließen, die hauptsächlich den USA nutzen, aber immer in US-Propaganda gehüllt und als Wohltat für die Entwicklungsländer verkauft werden.

Die Regierung Bangladeschs hat zugesichert, die Sicherheitsbedingungen in den Fabriken zu verbessern und die Rechte der Arbeiter zu schützen? Hat die US-Regierung dies berücksichtigt?

Bangladesch hat keine Stimmen anzubieten für die nächsten US-Wahlen, also haben solche Zusicherungen wenig Gewicht. Die Regierungsführung in Bangladesch ist erbärmlich und die Fähigkeit, lokale Manager und Textilfabrik-Besitzer zu überwachen und zu bestrafen ist problematisch. Das heißt, man ist immer nur "scheinbar" einverstanden mit den Forderungen der USA - im besten Fall.

Was bedeutet die Situation für die Einzelhandelsunternehmen, die in Bangladesch produzieren?

Selbst wenn die Einzelhandelsunternehmen sich bereit erklären, Verantwortung übernehmen, müssen sei damit rechnen, ihren Ruf zu  verlieren, allein durch das Handeln oder Nicht-Handeln der Besitzer und Manager. Denn die Verletzung der Arbeitnehmerrechte geschieht ja in Fabriken, die  von bengalischen Besitzern geführt werden. Wir erinnern uns, dass es im Rana Plaza Gebäude tatsächlich Fluchtausgänge gab, aber dass es die Manager waren, die die Türen verschlossen hatten. Mehr Fluchttüren zu bauen, kann nicht die Antwort sein.

Die Einzelhändler riskieren also, wie gesagt, ihren Ruf zu verlieren, und wenn ohne ihre Schuld Feuer ausbrechen,  kann man sicher sein, dass sie nach und nach zu anderen Produktionsstandorten wechseln werden. Der Disney-Konzern hat schon angekündigt, nach Indien zu gehen. Die Unternehmen, die jetzt erstmal bleiben, werden auch allmählich ihre Einkäufe reduzieren und dann weiterziehen, nur weniger dramatisch als Disney.

Könnten andere Länder, vor allem auch die Europäische Union nun dem amerikanischen Beispiel folgen und auch die Handelsvergünstigungen für Exporte aus Bangladesch einschränken?

Das ist absolut möglich. Die Gewerkschaften in der EU sind genau so daran interessiert, ihre Jobs zu schützen, wie die amerikanischen Gewerkschaften. In diesen Angelegenheiten arbeiten die politischen Interessenvertreter nach dem Prinzip des blinden Nachahmens.

Was können die westlichen Regierungen tun um die Sicherheit in den Fabriken zu verbessern ohne den Arbeitern in Bangladesch Schaden zuzufügen?

Die einzige Antwort ist, eigene Hilfsorganisationen einzusetzen, wie die amerikanische Entwicklungsorganisation USAID. Diese Organisationen können der Regierung Bangladeschs  unter die Arme greifen, nicht finanziell - darum geht es ausdrücklich nicht - sondern durch Experten, die genau wissen, wie und warum das Management sich um die Sicherheit ihrer Arbeiter kümmern muss. Und man sollte die Politiker und Bürokraten, die alle ihre eigenen Interessen verfolgen, aus der Sache heraus halten.

Jagdish N.Bhagwati ist Experte für internationale Wirtschaftsbeziehungen beim "Council on Foreign Affairs", einer amerikanischen Denkfabrik zu außenpolitischen Themen mit Sitz in New York und Washington. Der Wirtschaftsprofessor lehrt überdies an der Columbia University, New York.