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Karriere mit "kleinen Fächern"

Bianca Schröder3. August 2013

Orientalistik, Mineralogie oder Südosteuropastudien: Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so viele kleine Studienfächer wie in Deutschland. Die Karrierechancen der Absolventen sind oft besser als gedacht.

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Olaf Pinkpank, Student der Neogräzistik und Judaistik an der Freien Universität Berlin (Foto: DW/Bianca Schröder)
Bild: DW

Als Olaf Pinkpank sich für das Studienfach Neogräzistik einschrieb, spielten Karriereaussichten eher eine untergeordnete Rolle. "Ich habe schon vor Beginn meines Studiums die neugriechische Sprache gelernt, erst in Griechenland, dann an der Volkshochschule. Wegen dieser Affinität habe ich mich dann für Neogräzistik entschieden", erzählt der Student der Freien Universität Berlin. Er plante damals, nach seinem Abschluss nach Griechenland zu ziehen und dort zu arbeiten, vielleicht an einer Hochschule oder im Tourismusmanagement.

An Fragen nach seinen beruflichen Plänen ist Olaf Pinkpank gewöhnt - wie auch andere Studierende, die ein ausgefallenes Fach gewählt haben. Tatsächlich hätten Absolventen kleiner Fächer durchaus gute Karrierechancen, sagt Joachim Sauer, Präsident des Bundesverbandes der Personalmanager: "Angesichts der Globalisierung der Wirtschaft suchen die Unternehmen zunehmend nach Spezialisten." Als kleine Fächer gelten Studiengänge, die an einer Hochschule mit höchstens drei Professoren vertreten sind oder an weniger als zehn Prozent der Hochschulen gelehrt werden. In Deutschland gibt es laut der Hochschulrektorenkonferenz weltweit die meisten dieser "Orchideenfächer". Systematisch erfasst werden sie von der Arbeitsstelle "Kleine Fächer" an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Die Geisteswissenschaften mögen's klein

80 Prozent der kleinen Fächer sind Geistes- oder Kulturwissenschaften. Aber auch in den Ingenieur-, Natur- und Wirtschaftswissenschaften gibt es seltene Studiengänge - wie das Fach Bahntechnik. Dass dies ein kleines Fach ist, war Yuanfei Shi, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität Berlin, zunächst gar nicht bewusst, denn in ihrem Heimatland China wird Bahntechnik an vielen Hochschulen gelehrt: "Das Bahnsystem in Deutschland ist schon gut ausgebaut, China hingegen wird in dieser Hinsicht noch lange Zeit das größte Entwicklungsland bleiben." Da das Streckennetz ständig erweitert wird, sind Bahntechnik-Ingenieure in China gefragt.

Yuanfei Shi, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fach Bahntechnik an der Technischen Universität Berlin (Foto: Peter Mnich)
Yuanfei Shi hat im Fach Bahntechnik promoviertBild: Peter Minich

Während ihres Studiums und ihrer Promotion hat Shi Praktika bei deutschen und chinesischen Ingenieurunternehmen absolviert. Auch künftig möchte sie gern in beiden Ländern arbeiten, nicht nur, weil dies ihren persönlichen Kenntnissen und Interessen entspricht, sondern auch um einen Beitrag zur Vertiefung der deutsch-chinesischen Beziehungen zu leisten. "Absolventen wie ich werden auch als Brückenfiguren bezeichnet. Wir müssen beide Länder so gut wie möglich miteinander verbinden", sagt sie.

Familiäre Atmosphäre, gute Betreuung

Als Vermittler zwischen den Kulturen sind auch die Absolventen von geisteswissenschaftlichen Nischenfächern gefragt. Gerade für Orientalisten, Jiddisten oder Skandinavisten seien jedoch Praktika eine wichtige Voraussetzung für den Berufseinstieg, sagt der Personalmanager Sauer. Die Turkologie-Studentin Kalina Lenes von der Freien Universität Berlin weiß, dass ihre Kenntnisse der türkischen Sprache und Kultur allein kaum reichen werden, um einen Job zu finden. Deshalb hat die 21-Jährige gleich nach dem Abitur erste praktische Erfahrungen gesammelt: Sie verbrachte mit dem Europäischen Freiwilligendienst ein Jahr in Georgien. "Während dieser Zeit habe ich viel im interkulturellen Jugendaustausch gearbeitet. Ich könnte mir gut vorstellen, daran nach meinem Abschluss anzuknüpfen", sagt sie. Gern würde sie mit türkischen Jugendlichen arbeiten.

Kalina Lenes, Turkologie-Studentin an der Freien Universität Berlin (Foto: DW/ Bianca Schröder)
Turkologie-Studentin Kalina Lenes möchte nach ihrem Abschluss gern im Jugendaustausch arbeitenBild: DW

Die Betreuung durch Professoren und Dozenten beschreiben Olaf Pinkpank, Kalina Lenes und Yuanfei Shi übereinstimmend als sehr gut. "Bei den kleineren Fächern herscht eine intimere Atmosphäre, man lernt sich schneller kennen", sagt Pinkpank. Yuanfei Shis Doktorvater, der Bahntechnik-Professor Peter Mnich, versteht es als seine Aufgabe, Studenten nicht nur bei der Auswahl ihrer Kurse oder bezüglich Diplomarbeitsthemen zu beraten. "Wir sollten auch beim Berufseinstieg behilflich sein", meint er. "Das ist natürlich in kleinen Fächern besser möglich, weil wir die Studierenden besser kennen." Mnich nutzt seine Kontakte zu Unternehmen, um Studierenden Praktika und Jobs zu vermitteln.

Qualifiziert für fachfremde Berufe

Auch Neogräzistik-Student Olaf Pinkpank hat dank seiner Professorin eine Stelle in Aussicht: Nach seinem Magisterabschluss kann er bei einem Drittmittelprojekt mitarbeiten. Dabei geht es um griechische Papyri aus Ägypten als Zeugnisse jüdischen Lebens - ein Thema, das an Pinkpanks vorhergehender Projektmitarbeit anknüpft.  Solch passgenaue Stellen fänden allerdings nur die wenigsten Absolventen von kleinen Fächern, sagt der Personalmanager Joachim Sauer:  "Viele arbeiten nach ihrem Abschluss ganz woanders."

Joachim Sauer, des Bundesverbands der Personalmanager und Geschäftsführer Personal bei der Faurecia Automotive GmbH (Foto: Stephan Baumann)
Personalmanager Sauer rät, ein Nischenfach mit einer anwendungsorientierten Disziplin zu kombinierenBild: Stephan Baumann

Manch ein Literaturwissenschaftler hat sich laut Sauer schon zur Führungskraft oder zum Vorstandsvorsitzenden in einem Unternehmen hochgearbeitet. Angesichts dieser Tatsache ist es für viele Studierende sinnvoll, ein Nischenfach mit einer anwendungsorientierten Disziplin wie BWL oder einer Ingenieurwissenschaft zu verbinden. "Generell sollten die Absolventen keine Scheu haben, sich auch auf fachfremde Stellen zu bewerben, denn ihre Qualifikationen werden von Personalleitern durchaus geschätzt", betont Sauer.