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Mali bangt vor neuer Gewalt

Katrin Gänsler28. Juli 2013

Die Bürger Malis wählen einen neuen Präsidenten. Doch eine Gewaltwelle im Norden des Landes bereitet allen große Sorge. Die Befürchtung ist, die Gewalt könnte sich auf das ganze Land ausbreiten.

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Werbung für die malische Armee: Sie soll für Sicherheit sorgen. Foto: Katrin Gänsler, 20. Juli 2013, Gao, Mali
Afrika Wahlen 2013 in Gao, MaliBild: Katrin Gänsler

Lautstarkt feilschen in der Markthalle von Gao Händler und Käufer um die Preise. Am Anfang der Halle bieten die Metzger frisch geschlachtete Ziegen an. Etwas weiter hinten sitzen die Fischverkäuferinnen. Der letzte Fang im nahe gelegenen Niger war ordentlich, und der Geruch von frischem Fisch steigt in die Nase. Auch Aïchata Keïta ist an diesem Morgen bei ihrem Rundgang zufrieden. Die Präsidentin der Fischhändlerinnen von Gao freut sich nicht nur über das Angebot, sondern über die allgemeine Entwicklung in Gao: "Seitdem die Armeen aus Frankreich und dem Tschad hier sind, geht es wieder. Vorher haben wir sehr gelitten. Wir Frauen konnten ja nicht mal mehr das Haus verlassen. Jetzt wird es wieder besser."

Trotzdem ist die Zeit unter der Tuareg-Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA) und anschließend der Bewegung von Einheit und Dschihad (MUJAO) allgegenwärtig. Die einjährige Besetzung hat tiefe Spuren hinterlassen – auch sichtbare. Die Markthalle von Gao ist ein in hellgelb verputzter Neubau. Sie musste neu gebaut werden, weil die alte Halle bei den Kämpfen komplett zerstört wurde.

Überall Spuren des Krieges

Doch so gut ist es um die anderen Gebäude der Stadt längst nicht bestellt. Im Postgebäude sind die Einschusslöcher noch überall deutlich zu sehen. Noch schlimmer sieht es rund um die Polizeistation aus, wo die MUJAO ihr Hauptquartier errichtet hatte. Das soll sich jetzt so schnell wie möglich ändern, wünscht sich Aïchata Keïta. Ein ganz wichtiger Schritt dafür seien die Präsidentschaftswahlen am Sonntag (28.07.2013). "Die Wahlen werden gut verlaufen", sagt Aïchata Keïta optimisisch. Für sie ist es selbstverständlich zu wählen. "Auch die anderen Frauen hier werden das tun."

Aïchata Keïta, Präsidentin der Fischhändlerinnen von Gao. (Foto: Katrin Gänsler)
Aïchata Keïta, Präsidentin der Fischhändlerinnen von GaoBild: Katrin Gänsler

Diesen Optimismus teilen in Gao längst nicht alle Einwohner. Denn es ist unklar, was in den kommenden Tagen in Kidal passiert. Die Stadt liegt 350 Kilometer weiter im Norden. Die Strecke dorthin sei alles andere als beliebt, schimpft Harouna Touré, der als Spediteur mehrmals im Monat zwischen den beiden Städten hin- und herpendelt. "Dort ist jeder bewaffnet und sein eigener Chef", sagt er. "Angst machen sie mir aber nicht mehr, diese sogenannten Wegelagerer und Banditen, die auf der Strecke Fahrer anhalten und Geld erpressen."

Angst vor Unruhen in Kidal

Doch die jüngste Gewaltwelle hat auch ihn erschüttert. Zehn Tage vor der Wahl kamen bei Ausschreitungen zwischen der MNLA und Einwohnern der Stadt vier Menschen ums Leben. Wenige Tage später wurden sechs Wahlhelfer in Tessalit entführt. Sie sind zwar wieder frei, doch gleichzeitig entdeckte man eine Bombenattrappe. Deshalb ist die Entwicklung in der Nachbarstadt auch in Gao das Gesprächsthema schlechthin.

Karte von Mali 2013_07_24_mali.psd
Sorge bereitet eine Gewaltwelle im NordenBild: DW

Dabei sollte Kidal mit dem vorläufigen Friedensabkommen von Ouagadougou eigentlich zurück zur Normalität finden. Mitte Juni wurde das Abkommen zwischen der Übergangsregierung, der MNLA und dem Hohen Rat für die Einheit von Azawad (HCUA) geschlossen. Dadurch sollten Verwaltungsstrukturen und die Armee in die Region zurückkehren. Außerdem wollte man so den Weg für Wahlen freimachen. Safi Maïga, eine junge Lehrerin, die auf dem Weg zum Markt von Gao ist, glaubt jedoch nicht mehr daran. "Wir möchten, dass die malische Armee in Kidal einmarschiert und Kidal zurückerobert." Auch wenn Kidal eine halbe Tagesreise weit weg liegt, beeinflusst die Entwicklung dort auch Gao, findet die junge Frau: "Wir können hier einfach nicht in Frieden leben, wenn Kidal noch nicht zurückerobert ist."

Entführungen als Finanzierung

Harouna Touré sieht es ähnlich. Auch er bezweifelt, dass Verhandlungen der richtige Weg zur Befreiung der Stadt gewesen sind. Für ihn sind deren Ziele keine politischen, sondern bloße "Geldmacherei": "Wenn hier Weiße entführt werden, dann steckt oft die MNLA dahinter. Die verkauft sie dann an Al Qaida. Das weiß hier jeder, aber niemand spricht darüber."

Harouna Touré, Spediteur in Fao. (Foto: Katrin Gänsler)
Der Spediteur Harouna Touré will in Kidal wählenBild: Katrin Gänsler

Ein paar Sandstraßen sitzt der Gouverneur Mamadou Adama Diallo in seinem Arbeitszimmer. In einem großen, aber spärlich eingerichteten Raum empfängt er Besucher. Jeder möchte mit ihm über die Wahlen und die Sicherheitslage sprechen. Der Gouverneur kennt die Bedenken, doch er winkt ab: "Die MNLA, das ist doch nur eine Minderheit. Sie will sich zeigen und ihre Macht demonstrieren", sagt er und gibt sich optimistisch: Die Wahlen am Sonntag würde eine solch kleine Gruppe nicht gefährden können.

Menschen im Norden wollen wählen

Darauf hofft auch Spediteur Harouna Touré - trotz seiner Skepsis. Er ist in Kidal registriert und möchte bei der Wahl des neuen Präsidenten mitbestimmen. "Nicht nur ich bin bereit, sondern viele andere Menschen auch." Und es könnte auch gelingen, sagt er, wenn die Armee stark genug ist und ihre Arbeit machen kann. Doch die hält sich - wie aus Armeekreise zu hören ist - derzeit zurück. Würde sie hart durchgreifen gegen die MNLA, könnte dies den Friedensprozess gefährden: Die Tuareg würden sich von der malischen Regierung angegriffen fühlen, so die Befürchtung. Gleichzeitig fühlen sich die Bewohner der Stadt im Stich gelassen: "Wir sind doch alle Malier. Und Kidal ist ein Teil von Mali", sagt Harouna Touré.

Mamadou Adama Diallo, Gouverneur von Gao. (Foto: Katrin Gänsler)
Mamadou Adama Diallo, Gouverneur von GaoBild: Katrin Gänsler