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Ende des koreanischen Tauwetters?

Esther Felden24. September 2013

Nordkoreas Absage der geplanten Familienzusammenführungen ist ein Dämpfer für den Entspannungsprozess, erklärt FES-Korea-Experte Christoph Pohlmann. Doch gefährdet sei er dadurch noch nicht.

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Christoph Pohlmann von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Seoul. Copyright: Friedrich-Ebert-Stiftung
Christoph Pohlmann ist Landesvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in SeoulBild: FES

Deutsche Welle: Herr Pohlmann, wenige Tage vor den für diese Woche geplanten Familientreffen hat Nordkorea die Zusammenführungen in letzter Minute doch wieder abgesagt. Sie waren gerade erst im Land und hatten die Gelegenheit, ganz frische Eindrücke zu sammeln. Inwieweit hat Sie dieser Schritt überrascht?

Christoph Pohlmann: Der Schritt hat mich schon überrascht, denn anders als bei meinem letzten Besuch Ende Februar 2013 – kurz nach dem dritten nordkoreanischen Atomtest – schien die Stimmung in Pjöngjang sich gewandelt zu haben. Man betonte immer wieder die Notwendigkeit der innerkoreanischen Zusammenarbeit und nannte neben der Wiedereröffnung des Industrieparks Kaesong und der Wiederaufnahme der Reisen südkoreanischer Touristen in das Kumgangsan-Gebiet eben auch die Familienzusammenführungen als ganz elementaren Bestandteil für die Verbesserungen der innerkoreanischen Beziehungen.

Allerdings gab es im Zusammenhang mit den Familientreffen ein Problem zwischen beiden Regierungen, was die Unterbringung der südkoreanischen Gäste anbelangte. Sie sollten auch im Tourismusgebiet Kumgangsan untergebracht werden. Aber dann waren die Zimmer angeblich bereits mit anderen, ausländischen Touristen belegt. Das könnte einer der Gründe gewesen sein, warum die Familienzusammenführungen erst einmal verschoben wurden.

Das klingt nach einem vorgeschobenen Grund. Offiziell hieß es von nordkoreanischer Seite, die Treffen würden verschoben, bis wieder eine "normale Stimmung" zwischen beiden Ländern herrsche. Nordkorea wirft dem Süden eine feindselige Haltung und mangelnden Respekt vor.

Ja, diesen Vorwurf des fehlenden Respekts kennen wir bereits. Genau das war von nordkoreanischer Seite offiziell auch der Grund, warum Anfang April der Industriepark Kaesong geschlossen wurde. Auch damals hieß es, Südkorea habe die Würde der nordkoreanischen Führung beleidigt. Aus meiner Sicht ist das jetzt letztlich ein Vorwand, und es ist auch nur sehr schwer nachvollziehbar, warum es zu einem Aufschub der Familienzusammenführungen kam. Eventuell könnte dieser Schritt aber auch auf Unstimmigkeiten innerhalb der nordkoreanischen Führung hindeuten.

Die Tatsache, dass sämtliche Verhandlungserfolge, die es in den vergangenen Wochen gegeben hat, von Seiten der südkoreanischen Regierung und der Medien in Südkorea ausschließlich als Ergebnis einer harten Haltung Seouls dargestellt werden, stößt in Nordkorea immer schlecht auf. Das Ganze nach dem Motto: Wir haben die Nordkoreaner dazu gebracht, unsere Bedingungen zu akzeptieren. Und das wird in Nordkorea als einseitig und auch als Kränkung wahrgenommen. Aus nordkoreanischer Perspektive müssen die innerkoreanischen Beziehungen immer Beziehungen unter Gleichen sein.

Wie sind in Südkorea die Reaktionen auf die einseitige Absage Nordkoreas im Zusammenhang mit den Familientreffen ausgefallen?

Am emotionalsten haben verständlicherweise diejenigen reagiert, die zu den Zusammenführungen nach Nordkorea gereist wären. Die Familien, die das betraf, waren ja gerade erst ausgewählt worden, und zum Teil sind die Betroffenen über 90 Jahre alt. Ohnehin ist ein großer Teil der Menschen, die sich 1988 zum ersten Mal als Kandidaten für solche Treffen registriert haben, mittlerweile verstorben.

Die nordkoreanische Entscheidung hat hierzulande zu Unverständnis geführt. Und sie hat sicher auch die positiven Gefühle, die hier im Süden nach den Spannungen des Frühjahrs in Richtung eines innerkoreanischen Tauwetters langsam aufkamen, wieder sehr getrübt.

Inwieweit könnte diese kurzfristige Absage den vorsichtigen Entspannungsprozess zurückwerfen?

Zunächst einmal muss man sagen, dass es sich um einen Aufschub handelt, nicht um eine endgültige Absage. Aber natürlich kann daraus auch eine Absage auf längere Sicht werden. Ich denke nicht, dass es den gesamten Entspannungsprozess wieder zurückwirft. Bis auf weiteres sollte man davon ausgehen, dass der Industriepark Kaesong wirklich wieder in Betrieb geht. Möglich ist aber, dass der Entspannungsbemühungen jetzt für einige Zeit - für einige Wochen, vielleicht auch Monate - quasi zum Erliegen kommen.

Es gibt eine Art unausgesprochene Bedingung seitens der südkoreanischen Regierung: Wenn keine Familienzusammenführungen stattfinden, dann gibt es auch keine Verhandlungen über die Wiedereröffnung des Kumgangsan-Tourismusgebietes. Es gab auch beispielsweise Zeichen von Entspannung im Bereich Sportleraustausch – inklusive der Teilnahme an Turnieren auf beiden Seiten. Ich bin beispielsweise vor zwei Wochen in derselben Maschine wie die südkoreanische Gewichthebermannschaft nach Pjöngjang geflogen. Und solche positiven Gesten der Entspannung und Annäherung könnten jetzt bis auf Weiteres ausbleiben.

Christoph Pohlmann ist Landesvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Seoul.