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Pressefreiheit bedroht

Markus Symank29. September 2013

Der preisgekrönte ägyptische Journalist Ahmed Abu Deraa muss sich wegen Kritik an der Armee vor einem Militärgericht verantworten. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die bedrohte Pressefreiheit am Nil.

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Ein Zeitungskiosk in Luxor (Foto: picture-alliance)
Bild: picture alliance

Neugierig, gut vernetzt und immer als Erster zur Stelle in Kairo: Arbeitskollegen singen ein Loblied auf den ägyptischen Journalisten Ahmed Abu Deraa. Für seine Reportagen über Menschenschmuggel auf der Sinai-Halbinsel wurde der 38-Jährige im vergangenen Jahr mit der begehrten ägyptischen Samir-Kassir-Auszeichnung für Journalismus geehrt. "Ahmed Abu Deraa wollte jede Nachricht immer von der Quelle bestätigt bekommen. Er besaß viele Mittel, um an Informationen zu gelangen, speziell deshalb, weil er selbst aus einer Beduinenfamilie stammt", sagt Mohammed Abu Adham, ein langjähriger Mitarbeiter von Abu Deraa.

Für die ägyptische Armee ist Abu Deraa ein Verbrecher. Militäreinrichtungen soll der Journalist gefilmt haben, außerdem wissentlich falsche Nachrichten verbreitet haben. Eine Moschee und Wohnhäuser hätten die Streitkräfte bei einem Angriff gegen Stellungen der Dschihadisten auf dem Sinai versehentlich getroffen, berichtete Abu Deraa kürzlich. Für diese Behauptung muss er sich nun vor einem Militärgericht verantworten. Nach dem Prozessauftakt am Samstag (28.09.2013) soll die Verhandlung kommende Woche fortgesetzt werden. Abu Deraa droht eine langjährige Haftstrafe, sollte ihn der Richter schuldig sprechen.

Journalisten doppelt bedroht

Der Prozess gegen Abu Deraa hat in Ägypten hohe Wellen geschlagen, da er gleich zwei Kernpunkte des Kampfes um mehr Demokratie am Nil berührt: Pressefreiheit zum einen, Militärprozesse gegen Zivilisten zum anderen. Beide Themen zählten zu den zentralen Forderungen des ägyptischen Volksaufstandes gegen Diktator Husni Mubarak. Bei beiden ist auch zweieinhalb Jahre danach kein entscheidender Durchbruch zu verzeichnen. Der kurze Frühling der freien Berichterstattung, der für die ägyptischen Medien nach dem Sturz des Mubarak-Regimes ausbrach, welkte bereits nach dem Amtsantritt des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi im Sommer 2012. Seit der Machtübernahme der Militärs sind die staatlichen Medien endgültig wieder auf Linie gebracht.

Besonders heikel präsentiert sich die Lage für Korrespondenten auf der Sinai-Halbinsel, wo seit Mursis Sturz ein blutiger Kampf zwischen Sicherheitskräften und Dschihadisten tobt. "Die Journalisten hier arbeiten mit einem Maulkorb", sagt Abdel Kader Mubarak, Vorsitzender der Vereinigung für Journalisten im Nordsinai. Wie er betont, mangelt es an Sicherheit für Journalisten auf der Sinai-Halbinsel. "Wir leben mit der Bedrohung, von Sicherheitskräften festgenommen zu werden, und der Bedrohung, von Bewaffneten getötet zu werden, kritisiert Abdel Kader Mubarak.

Ägyptisches Armeefahrzeug (Foto: DW)
Das Militär wird zur Bedrohung für die PresseBild: DW/S. Soliman

Umstrittene Notstandsgesetze

Der "Maulkorb", von dem Abdel Kader Mubarak spricht, sitzt aus Sicht der Generäle aber offenbar noch nicht fest genug. Armeesprecher Ahmed Ali gab deshalb am Samstag weitere Einschränkungen für die Medien bekannt: Nachrichten, die das Militär zum Thema hätten, dürften künftig nur noch nach Rücksprache mit den Streitkräften veröffentlicht werden. Die "nationale Sicherheit" verlange Verantwortungsbewusstsein von allen Seiten, gab das Militär als Begründung an. Für die Journalisten auf der Sinai-Halbinsel verheißt die Ankündigung nichts Gutes. So klagt Abu Adham, sobald er "das Haus verlasse, sage ich meiner Frau in aller Deutlichkeit, dass ich vielleicht nicht zurückkehren werde. Sei es, weil ich von den Sicherheitskräften verhaftet werde, oder sei es, weil mich die Kugeln der Terroristen treffen".

Die Notstandsgesetze, die nach dem Sturz Mursis reaktiviert wurden, erschweren die Arbeit der Presse zusätzlich. Sie geben den Streitkräften freie Hand, Kritiker jeder Art jederzeit festzunehmen - und schlimmstenfalls vor ein Militärgericht zu zerren.

Kampf um Verfassung

Die ägyptische Übergangsregierung hat angekündigt, Militärprozessen gegen Zivilisten ein für allemal ein Ende machen zu wollen. Außenminister Nabil Fahmi bekräftigte diese Absicht in der vergangenen Woche auch gegenüber der internationalen Gemeinschaft im Rahmen der UN-Vollversammlung in New York.

Ägyptens Außenminister Nabil Fahmi (Foto: Getty Images/AFP)
Will Militärprozesse gegen Zivilisten abschaffen: Außenminister Nabil FahmiBild: STR/AFP/Getty Images

Menschenrechtler am Nil wollen die Gelegenheit beim Schopf packen. "Dies ist der einzige mögliche Zeitpunkt, an dem wir dieses Thema aufwerfen können", erklärt Hafez Abu Saeda, Vorsitzender der Ägyptischen Organisation für Menschenrechte. "Falls wir diese Möglichkeit verstreichen lassen, bedeutet dies, dass sich an der Situation nichts ändern wird. Wir werden dann weiterhin Zivilisten vor Militärgerichten sehen." Abu Saeda räumt allerdings ein, dass ein hartes Ringen mit den Militärs bevorstehe. Nicht zuletzt, weil diese auf einer beispiellosen Welle der Popularität schwämmen.

In einem ersten Entwurf der künftigen Verfassung des Landes wird allerdings an der Möglichkeit von Militärprozessen gegen Zivilisten festgehalten. Gemäß Artikel 174 soll dies allerdings nur noch im Falle von Verbrechen gelten, die einen "direkten Angriff auf die Streitkräfte" darstellten.