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Die versteckten Profiteure der US-Militärhilfe

Janosch Delcker7. Oktober 2013

Die EU hat ihre Waffenlieferungen ins politisch instabile Ägypten gestoppt. Die USA unterstützen das ägyptische Militär jedoch weiterhin. Das dient auch der Rüstungsindustrie im eigenen Land.

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Militärübung Ägypten USA Manöver Bright Star 05 Operation (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Antwort fiel Barack Obama sichtlich schwer. Als der US-Präsident Ende August in einem Fernsehinterview gefragt wurde, warum die USA das Militär in Ägypten weiter unterstützen, schien er jedes Wort abzuwägen. Seine Regierung bewerte die amerikanisch-ägyptischen Beziehungen momentan vollständig neu; man müsse sehen, was im langfristigen Interesse für Amerikaner und für Ägypter liege.

1,5 Milliarden Dollar fließen jährlich nach Ägypten; 1,3 Milliarden davon an das ägyptische Militär. Seitdem eben dieses Militär den ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi im Juli 2013 für abgesetzt erklärt hat, stehen die Hilfen in der Kritik. Dennoch hält Washington an den Finanzhilfen fest. Die USA könnten ihre Militärprivilegien in der Region verlieren und amerikanische Sicherheitsinteressen könnten gefährdet werden, heißt es.

Obama äußert sich zu Ägypten (Foto: rtr)
Obama äußert sich zu ÄgyptenBild: Reuters

Kein Wort verlor Obama über einen weniger bekannten Aspekt der Militärhilfe. Das Programm hat nicht nur politische Bedeutung; es ist auch eng mit Interessen der US-Waffenindustrie verflochten, hinter der eine mächtige Lobby steht.

Geld für die amerikanische Provinz

Denn das Geld für Ägypten verlässt die Vereinigten Staaten gar nicht; das legt das Abkommen fest, auf dem die Militärhilfe basiert. Sobald der US-Kongress den Zahlungen zustimmt, werden sie auf ein Konto bei der Federal Reserve Bank in New York überwiesen. Diese leitet das Geld an einen Fonds des staatlichen Schatzamts weiter. Von dort wird es an Vertragspartner, also Rüstungsunternehmen und Zulieferer, überwiesen.

Alle diese Vertragspartner müssen ihren Sitz in den USA haben. Teilweise handelt es sich dabei um multinationale Konzerne mit Tochterfirmen in den USA. Entscheidend ist, dass die Firmen ihr Personal in den USA beschäftigen. Somit fließt das Geld der Finanzhilfen nicht nach Kairo sondern in die amerikanische Provinz und schafft dort quasi staatlich subventionierte Jobs.

Lobbyisten als Feuerwehr

Die amerikanischen Militärhilfen gründen sich auf den ägyptisch-israelischen Friedensvertrag von 1979. Ägypten, das bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt, gilt als eine der wichtigsten Säulen der US-Außenpolitik in der arabischen Welt, nicht zuletzt wegen des strategisch wichtigen Suez-Kanals, den Ägypten kontrolliert.

In ihrer über 30-jährigen Geschichte wurden die Hilfen im US-Kongress oft in Frage gestellt, sagt Shana Marshall. Die Politikwissenschaftlerin forscht am Center for Middle East Studies der George Washington Universität. "Wenn ein solcher Vorstoß geschieht - was alle paar Jahre passiert - dann schickt die Waffenindustrie ein Team von Lobbyisten zu Kongressabgeordneten, um diese zu überzeugen, die Militärhilfen fortzuführen." Argumentiert würde dabei nicht nur mit Sicherheitsinteressen, "sondern auch mit Produktionsausfällen und Arbeitsplatzverlusten im Inland, sollte das Militärhilfsprogramm gestoppt werden".

Panzer, die im Lager stehen

In diesem Jahr ist eine weitere innenpolitische Komponente in der Diskussion aufgetaucht: Seit dem Frühjahr sind in den USA tiefgreifende Haushaltskürzungen in Kraft getreten, um das US-Haushaltsdefizit zu reduzieren. Mit am stärksten davon betroffen ist das US-Militär. Gespart wird unter anderem bei der Produktion von neuem Kampfgerät; das trifft die Waffenindustrie. Um zu verhindern, dass während dieser Produktionsengpässe hochqualifizierte Arbeiter entlassen werden müssen und in andere Branchen abwandern, haben manche Unternehmen von der Politik gefordert, quasi als "Gegenleistung" Aufträge im Waffenexport zu erhalten. Inwieweit dies von staatlicher Seite unterstützt wird, ist umstritten.

Ein-Dollar-Schein auf US-Fahne mit Rissen, Staatsverschuldung der USA (Foto: dpa)
Die USA sind überschuldet und müssen sparen - das Militär ist betroffenBild: picture-alliance/chromorange

Unumstritten ist, dass nicht alles vom ägyptischen Militär gekaufte Kriegsgerät auch tatsächlich gebraucht und genutzt wird. "Einige Panzer, die geliefert werden, stehen in Ägypten im Lager rum", sagt Jason Brownlee. Der Politikwissenschaftler forscht an der University of Texas zu US-Ägyptischen Beziehungen. "Im Großen und Ganzen gibt es keine überzeugenden Argumente dafür, Ägypten noch viel mehr traditionelles Kriegsgerät zu liefern."

US-Regierung als Mitunterzeichner der Verträge

Übereinstimmend sagen Experten, dass die USA politisch von ihrer Partnerschaft mit Ägypten profitieren; angesichts vieler Privilegien, die das Land in der Region hat, gilt die Höhe der Hilfsleistungen als vergleichsweise niedrig. Für die Entscheidung, ob sie weiter gezahlt werden, dürften die Bedürfnisse der heimischen Rüstungskonzerne, trotz ihres großen Einflusses, eine untergeordnete Rolle spielen.

Was aber, wenn die Zahlungen aus politischen Gründen gestoppt würden? In den Verträgen, die das ägyptische Militär mit den US-Firmen hat, taucht die US-Regierung als Mitunterzeichner auf. Sie garantiert, dass die Waffen abgenommen werden. "Die US-Waffenfirmen, die die sehr lukrativen Verträge mit Ägypten hatten, würden in einem solchen Fall als Ausgleich wahrscheinlich einfach ähnliche Verträge mit anderen Ländern bekommen - dem Irak zum Beispiel, oder Afghanistan, Pakistan oder Somalia", so Rüstungsexpertin Marshall.

In dem Fernsehinterview gab sich der Fragesteller mit Barack Obamas ausweichender Antwort zufrieden. Ende September hat sich Obama in seiner Rede vor den Vereinten Nationen noch einmal zu den Hilfsleistungen geäußert. Dabei wiederholte er seine Aussage, dass die Beziehungen überarbeitet würden. Anfang Oktober wurde die noch ausstehende Tranche für das Jahr 2013 überwiesen.

Nun dominiert die Haushaltssperre die Schlagzeilen in den USA. Das öffentliche Interesse an der Ägypten-Hilfe ist abgeflacht, der Druck auf Präsident Obama schwächer geworden. So laufen die Hilfsleistungen, wie seit über 30 Jahren, erst einmal weiter. Und sowohl das ägyptische Militär als auch die amerikanische Rüstungsindustrie profitieren davon.