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Mali vor den Parlamentswahlen

Dirke Köpp3. November 2013

Es ist ein zentraler Schritt in Richtung Neuanfang: Im westafrikanischen Krisenstaat Mali entscheiden die Wähler im November über ein neues Parlament. Der Wahlkampf beginnt mit großen Hoffnungen.

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Frauen mit separatistischer Tuareg-Flagge in Mali (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP

"Viele sind überzeugt, dass die Wahlen eine Rückkehr zu Ruhe und Demokratie bedeuten", sagt Badié Hima, der für die amerikanische Organisation "National Democratic Institute" (NDI) in Malis Hauptstadt Bamako arbeitet. Rund drei Monate nach der Präsidentenwahl stimmen die Malier am 24. November über eine neue Nationalversammlung ab, 1141 Kandidaten bewerben sich um 147 Sitze. Viele Wähler hoffen, dass das neue Parlament dazu beitragen wird, ihr Land aus der Krise zu führen. Diese Krise begann vor rund anderthalb Jahren: Am 21. März 2012 putschte die Armee gegen den damaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré. Es folgte ein Krieg, der erst durch eine Militärintervention beendet wurde.

Auch für Annette Lohmann von der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Mali tragen die Parlamentswahlen dazu bei, die Weichen für einen Neuanfang zu stellen. Sie seien aber nur ein Schritt von vielen, betont sie: "Was ist mit der Justiz? Eine unabhängige Justiz wäre der nächste Akteur für eine wirkliche demokratische Verankerung in Mali. Da gibt es auch noch viel zu tun." Das Parlament aber, so Lohmann, sei natürlich "ein ganz zentraler politischer Akteur, der zur Gewaltenteilung in der Zukunft noch viel mehr beitragen muss".

Schwache Volksvertretung unter Ex-Präsident Touré

In der Vergangenheit war das Parlament meist sehr schwach. Statt seine Position zu nutzen, die Regierung zu kontrollieren oder eigene Gesetzesvorlagen zu entwerfen, verabschiedete es die Gesetzesvorlagen der Regierung meist ohne größere Kritik. Die Konsenspolitik unter dem ehemaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré - genannt ATT - verhinderte de facto ein Mehrparteiensystem, da die Opposition sich mit der Regierung verbündete. Eine Tendenz dazu gebe es auch derzeit wieder, sagt Annette Lohmann - und zwar auf Kosten politischer Inhalte. "Im Moment sind alle Parteien, alle Kandidaten dabei, sich aufzustellen, Allianzen untereinander zu schmieden, Absprachen strategischer Natur zu treffen. Politische Aussagen, Inhalte oder gar Programme spielen da eigentlich keine Rolle."

Frau an einer Wahlurne in Mali (Foto: Reuters)
Im August wählten die Malier ihren Präsidenten, am 24. November ist die ParlamentswahlBild: Reuters

So haben sich etwa die größte malische Partei, die Adema ("Allianz für Demokratie in Mali") und die Präsidentenpartei RPM ("Versammlung für Mali") auf lokaler Ebene zusammengetan. Im Wahlkampf um die Präsidentschaft hatte sich die Adema vor allem die soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben. Die RPM-Partei des neuen Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta (IBK) hatte vor allem mit der Lösung des Konflikts im Norden geworben.

Hoffen auf Aussöhnung und Frieden

Bei der Suche nach Bündnispartnern werden sogar Gräben überwunden, die bislang unüberwindbar schienen. Bakary Camara, Politologe an der Universität USJPB in Bamako, findet manche dieser Bündnisse geradezu "unglaublich". Er beklagt, dass es viele Opportunisten gebe, die auf die Popularität des neuen Präsidenten Keïta setzten, um zu gewinnen. Er hält eine solche Strategie allerdings für wenig erfolgversprechend. Wenn die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament den Kurs von Keïta unterstütze, dann wäre die Opposition ähnlich schwach wie unter seinem Vorgänger Touré, warnt Camara Bakary. Damit ließe sich wenig erreichen. "Wenn die Opposition aber stark oder zumindest relativ stark ist, könnte das zur Versöhnung der Malier beitragen, Frieden - und warum nicht auch Entwicklung bringen."

Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keïta (Foto: AFP)
Malis Präsident Keïta hat die Verhandlungshoheit im Konflikt um einen Tuareg-StaatBild: Issouf Sanogo/AFP/Getty Images

Badié Hima vom Demokratie-Institut NDI unterstreicht, dass die Malier nicht die gleichen Fehler machen wollen wie früher. "Ich bin davon überzeugt, dass die Malier durch die politisch-institutionelle Krise ihre Lektion gelernt haben", so Hima. "Es stimmt zwar, dass man auf den Listen für die Wahlen einige Allianzen feststellen kann. Aber wir werden auf keinen Fall wieder ein solches Konsensparlament haben wie in der Vergangenheit."

Konflikt um Tuareg-Staat hält an

Der bei den Präsidentenwahlen unterlegene Kandidat Soumaïla Cissé etwa hat bereits angekündigt, kritische Oppositionsarbeit leisten zu wollen. Denn wie auch immer die Parlamentswahlen ausgehen: Der Konflikt um einen unabhängigen Tuareg-Staat im Norden ist weiterhin akut und muss gelöst werden. Verhandlungen laufen, haben aber bislang kaum etwas erreicht.

Der unterlegene Präsidentschaftskandidat Soumaila Cissé (Foto: Katrin Gänsler/DW)
Der unterlegene Präsidentschaftskandidat Cissé will Opposition betreibenBild: DW/K.Gänsler

"Es ist nicht zu erwarten, dass der große Verhandlungsdurchbruch vor den Parlamentswahlen erzielt wird", sagt Annette Lohmann von der FES. "Die Akteure warten wahrscheinlich eher ab, insbesondere die Regierung, bis die Parlamentswahl über die Bühne gebracht ist, um die Wahl nicht zu gefährden. Denn die Verhandlungen mit mehreren radikalen Tuareg-Bewegungen im Norden sind durchaus schwierig und bieten ein hohes Konfliktpotenzial im ganzen Land, je nachdem welche Verhandlungsergebnisse man erzielt."

Im Parlament wird auch der Norden vertreten sein

Wie viel das Parlament tatsächlich leisten kann bei der Lösung des Konfliktes, ist noch unklar - denn Präsident Keïta hatte gleich nach seinem Wahlsieg klar gemacht, dass die Verhandlungshoheit mit dem Norden bei ihm und der Regierung liege. Er hat dazu sogar ein neues Ministerium geschaffen: das Ministerium für nationale Versöhnung und die Entwicklung der Regionen des Nordens. Für Mali-Expertin Annette Lohmann heißt das aber nicht, dass das Parlament untätig bleiben muss - es könnte dazu beitragen, dass die politische Akzeptanz eines Verhandlungsergebnisses erhöht werde, sagt sie.

Für den Politologen Bakary Camara ist noch ein weiterer Aspekt von Bedeutung: die Mitbestimmung durch Abgeordnete aus dem ganzen Land: "In einer Nationalversammlung sind Vertreter aus allen Regionen des ganzen Landes und damit natürlich auch welche aus dem Norden."