1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Elektroauto-Boom in Norwegen

Lars Bevanger, Oslo / asb25. November 2013

Obwohl Norwegen einer der größten Ölproduzenten Europas ist, erlebt das skandinavische Land einen wahren Elektroauto-Boom. Norweger besitzen pro Kopf weltweit die meisten Elektrofahrzeuge. Staatliche Anreize helfen.

https://p.dw.com/p/1AMdC
Elektro-Autos auf Norwegens Straßen in Oslo (Foto: Lars Bevanger)
Bild: Lars Bevanger

Espen Andreassen ist stolzer Besitzer eines neuen, elektrischen Nissan Leaf. Andreassen ist einer von über 4.000 Norwegern, die sich dieses Jahr ein Elektroauto zugelegt haben. Neun Prozent aller Neuwagen, die bisher in 2013 in Norwegen verkauft wurden, sind Elektrofahrzeuge.

"Autos sind in Norwegen wegen der Art und Weise, wie diese besteuert werden, sehr teuer", erklärt Andreassen. "Sie kosten häufig doppelt so viel wie in anderen vergleichbaren Ländern. Auf Elektroautos fällt hingegen kaum eine Steuer an. Hätten wir uns einen Benziner oder Diesel gekauft, wäre das ungefähr genauso teuer gewesen."

Doch die vergleichsweise günstigen Anschaffungskosten sind nicht die einzigen Vorteile, von denen Andreassen und andere Elektroautobesitzer profitieren. Ein beliebter Anreiz ist auch, dass Elektroautofahrer die Busspur benutzen dürfen. Elektroautos düsen so an Feierabendverkehrstaus vorbei - und können damit Pendelzeiten oftmals halbieren.

Espen Andreassen (Foto: Lars Bevanger)
Elektroauto-Besitzer AndreassenBild: Lars Bevanger

"Für uns ist das großartig. Normalerweise laden wir die Kinder im Kindergarten ab und dann fahren meine Frau und ich gemeinsam. Das spart uns jede Menge Zeit", erläutert Andreassen.

Kampf um Vorteile

Norwegens Elektroauto-Revolution hat schnell Fahrt aufgenommen - der größte Umsatzzuwachs ist in den letzten drei Jahren geschehen. Doch dahinter steckt jahrelange Lobbyarbeit von Elektroautobesitzern und deren Organisationen.

"Es hat lange gedauert, bis wir die Vorteile zugesprochen bekommen haben", so Snorre Sletvold, der Chef des norwegischen Elektroauto-Verbandes.

"Angefangen hat es damit, dass wir keine Importsteuern und keine Erstzulassungssteuer zahlen mussten. Mittlerweile können wir auch frei parken und umsonst auf mautpflichtigen Straßen fahren. Zudem wurden wir von der Mehrwertsteuer befreit und können die Busspur benutzen. Es hat allerdings zehn Jahre gedauert, bis wir all diese Vorteile in Norwegen zugesprochen bekommen haben."

Der schnelle Anstieg an Elektroautos im Land hat auch einen spürbaren Einfluss auf die Umwelt. Der durchschnittliche Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) aller norwegischen Autos liegt momentan bei 118 Gramm pro Kilometer. Im vergangen Jahr stand dieser Wert noch bei 125 Gramm pro Kilometer. Damit übertrifft Norwegen die Umweltvorgaben der EU bei Weitem.

Norwegen und das Öl

Kritiker hingegen sagen, dass dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei, wenn man sich Norwegens globale Verantwortung für den Klimawandel anschaut. Norwegen ist der achtgrößte Erdölexporteur der Welt und der weltweit drittgrößte Exporteur von Erdgas.

"Selbst wenn Norwegen das Land mit den meisten Elektroautos pro Person ist, rettet das trotzdem nicht die Welt", gibt Lars Haltbrekken zu bedenken. Haltbrekken ist der Vorsitzende der Umweltorganisation Friends of the Earth Norwegen. "Der größte ökologische Fußabdruck in Norwegen stammt von unserer enormen Öl- und Gasproduktion."

Würde man den CO2-Ausstoß von den kürzlich in Norwegen entdeckten Öl- und Gasfeldern berechnen, dann wäre dieser laut Haltbrekken so hoch wie der von 40 Millionen Autos in einem Jahr.

Lars Haltbrekken (Foto: Lars Bevanger
Haltbrekken zeigt, wo die neusten Ölfunde in Norwegen liegenBild: Lars Bevanger

Andere Kritiker behaupten, dass Elektroautos nicht zwangsläufig viel weniger CO2 produzieren als Autos, die mit modernem fossilem Brennstoff angetrieben werden. Die Herstellung und Entsorgung von Batterien sowie das Öl und Gas, das für die Erzeugung von Elektrizität benötigt wird, tragen dazu bei, dass ein Elektrofahrzeug einen viel höheren CO2-Fußabdruck hat, als viele annehmen.

Obwohl Norwegen ein großer Exporteur von fossilem Brennstoff ist, stammt die Elektrizität innerhalb Norwegens fast ausschließlich aus Wasserkraft, was den CO2-Ausstoß im Land weiter reduziert.

Das Bonus-Dilemma

Das norwegische Parlament in Oslo hat großzügige Anreize für Elektroautos bis 2017 versprochen. Wenn der Anstieg der Verkaufszahlen weiter anhält, dann müsse dieses Bonussystem eventuell noch einmal überdacht werden. "Natürlich müssen wir eines Tages die Busspur für Elektroautos wieder sperren. Wir müssen dann einen anderen Weg finden. Vielleicht müssen wir die Steuern der Mautgebühren für Benzinautos erhöhen", schlägt Sletvold vor.

Es ist wenig überraschend, dass sich die Hersteller von Elektroautos zurzeit besonders für Norwegen interessieren. Sie sind trotz möglicher Streichungen von staatlichen Förderprogrammen optimistisch, was die Zukunft des norwegischen Markts betrifft.

Aufladestation (Foto: Lars Bevanger)
Elektroautos können in Oslo umsonst aufgeladen werdenBild: Lars Bevanger

"Norwegen ist bei weitem unser größter Markt in Europa, und es ist sogar der zweitgrößte globale Markt für uns", erklärt Esben Pedersen von der US-amerikanischen Firma Tesla Motors, die luxuriöse Elektroautos herstellt.

Trotz eines Startpreises von 71.400 Euro war das Tesla Model S im September dieses Jahres das meistverkaufte Auto in Norwegen und überholte sogar den guten, alten VW Golf.

"Während Politiker anderswo in Europa bloß viel reden, handeln sie in Norwegen - dem einzigen Land in Europa, in dem es eine nationale Elektroauto-Richtlinie gibt", sagt Pedersen.

Die Bereitschaft der Regierung, in die Nutzung von Elektroautos zu investieren, hat Tesla davon überzeugt, in ein norwegisches Netzwerk von Super-Aufladegeräten und elektronischen Verkabelungsstandorten zu investieren. Dort können Elektroauto-Batterien in weniger als einer Stunde aufgeladen werden.

Die Henne und das Ei

Die Anzahl von Elektroautos weltweit ist bisher noch sehr gering. Selbst wenn der Rest der Welt Norwegen einholt, so würde die Energie, die benötigt wird, um all die Elektroautos aufzuladen, trotzdem noch größtenteils von fossilen Brennstoffen stammen.

Für manche ist das ein Henne-Ei-Problem: Wartet man besser, bis die meiste Energieerzeugung nachhaltig ist, bevor man sich Elektroautos zuwendet, oder fährt man jetzt schon Elektroautos und hofft, dass dies die Entwicklung von alternativer Energieherstellung beschleunigt? Elektroauto-Besitzer Andreassen aus Oslo glaubt an Letzteres.

"Wir können nicht warten, bis alle Energiequellen nachhaltig sind, bevor wir damit beginnen, Elektroautos herzustellen, zu kaufen und zu fahren. Die Menge an erneuerbarer Energie in der EU nimmt zu, daher wird es zunehmend besser werden. Wir müssen es zumindest versuchen und sehen ob es klappt", sagt er.

In der Zwischenzeit scheint Norwegens Liebe für Elektroautos nicht nachzulassen. Laut einer aktuellen Umfrage können sich mehr als die Hälfte der Norweger vorstellen, sich als nächsten Wagen ein Hybrid- oder Elektroauto anzuschaffen.