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Maidan-Aktivisten zunehmend in Gefahr

Lilia Grischko / Markian Ostaptschuk27. Dezember 2013

Der Überfall auf die regierungskritische Journalistin Tetiana Chornovol erschüttert die Ukraine. Doch er ist bei weitem nicht der erste Angriff auf oppositionelle Aktivisten. Menschenrechtler fordern Aufklärung.

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Pro-europäische Proteste in Kiew, Ukraine, nach dem Überfall auf die Journalistin Tatjana Tschornowol (Foto: EPA/SERGEY DOLZHENKO)
Bild: picture-alliance/dpa

Tetiana Chornovol liegt mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. Der brutale Überfall auf die regierungskritische Journalistin hat in der Ukraine für eine neue Welle der Empörung gesorgt. Seit Donnerstag (26.12.2013) fordern Hunderte Menschen vor dem Innenministerium eine rasche Aufklärung des Falls und den Rücktritt des Innenministers Witali Sachartschenko. Die Polizei hat zwar inzwischen einige Verdächtige festgenommen, die Hintergründe der Tat sind aber weiter unklar. Die junge Frau wurde in der Nacht zum Mittwoch mit Gewalt aus ihrem Wagen gezogen, verprügelt und dann in einen Straßengraben geworfen.

Chornovol ist in der Ukraine für Enthüllungen von Korruptionsskandalen bekannt. Vor kurzem hatte sie einen Artikel über den Bau einer Luxusimmobilie des Innenministers geschrieben. Sie selbst führt den Überfall auf ihre Aktivitäten während der jüngsten Proteste auf dem Maidan, dem Platz der Unabhängigkeit in Kiew, zurück - aber auch auf ihre Recherchen. In einem ersten Interview nach dem Überfall erzählte sie im ukrainischen Fernsehen, dass es ihr gelungen sei, auf die Grundstücke der Villen von Innenminister Sachartschenko und von Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka vorzudringen. Außerdem habe sie eine neue luxuriöse Residenz von Präsident Viktor Janukowitsch entdeckt.

Tetiana Chornovol gehört zu den Aktivsten auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz (Foto: DW)
Tetiana Chornovol auf dem Kiewer UnabhängigkeitsplatzBild: DW/A. Sawizki

Stärkere Berichterstattung gefordert

Wegen des Überfalls auf Tetiana Chornovol haben Aktivisten der gesellschaftlichen Bewegung "Stopp der Zensur!" alle Journalisten des Landes dazu aufgerufen, ausführlicher über die Verfolgung von Aktivisten des Maidan zu berichten, um die Oppositionellen vor weiteren Einschüchterungsversuchen zu schützen. Seit Ende November haben Hunderttausende für eine Integration der Ukraine in die Europäische Union demonstriert. Mehrere Tausend Aktivisten halten den Unabhängigkeitsplatz nach wir vor besetzt.

Der Überfall auf die Journalistin Chornovol ist nicht der erste Angriff auf Aktivisten des Maidan. Mehr als ein Dutzend wurden in den vergangenen Wochen von Unbekannten verprügelt. Besonders schwer traf es Dmytro Pylypez aus der ostukrainischen Stadt Charkiw. Er wurde durch zahlreiche Messerstiche schwer verletzt. Außerdem wurden mehr als 20 Autos von Menschen angezündet, die auf den Protestkundgebungen in Kiew, aber auch in anderen Städten zu den Demonstranten gesprochen hatten.

Warnung vor Radikalisierung

Inzwischen warnen Menschenrechtsorganisationen vor einer zunehmenden Radikalisierung der ukrainischen Gesellschaft. "Die Spannungen sind sehr groß und die Regierung muss die Verantwortlichen für die Überfälle bestrafen", sagte Arkadi Buschtschenko, Leiter der ukrainischen Helsinki-Gruppe, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Wenn dies nicht geschehe, "könnten die Menschen zur Selbstjustiz greifen", warnt der Menschenrechtler.

Menschenrechtler Arkadi Buschtschenko (Foto: DW)
Arkadi Buschtschenko ruft die "Maidan"-Aktivisten auf, vorsichtig zu seinBild: DW/O.Vesnianka

Allerdings rechnet Buschtschenko nicht mit einer objektiven Untersuchung der Überfälle durch die Behörden. Deswegen würden Menschenrechtler nun eine unabhängige Kommission bilden. Diese solle allen Überfällen nachgehen. "Die Fälle sollen sorgfältig dokumentiert und aus juristischer Sicht betrachtet werden. Es soll sowohl das Vorgehen der Regierung als auch das der Opposition geprüft werden", so Buschtschenko. Abschließend wolle man einen Bericht erstellen. Dieser werde ins Englische übersetzt und internationalen Organisationen sowie diplomatischen Vertretungen vorgelegt. So könnte der Westen eine klare Vorstellung davon bekommen, was in der Ukraine geschehe.

Die Menschenrechtler von der Helsinki-Gruppe mahnen gleichzeitig zur Vorsicht. "Die Überfälle werden von ausgebildeten Personen begangen. Deshalb sollten die Aktivisten es vermeiden, alleine zu gehen. Und sie sollten auf das eigene Auto verzichten und öffentliche Verkehrsmittel nutzen", sagte Buschtschenko. Jeder, der sich öffentlich für die Zivilgesellschaft einsetze, sei derzeit gefährdet.