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Das Bild der neuen Veteranen

Vera Kern30. Mai 2014

Mehr Auslandseinsätze heißt auch: mehr rückkehrende Soldaten. Wie geht Deutschland mit ihnen um? Zum ersten Mal gab es am 31. Mai einen Veteranentag. Doch Politik und Gesellschaft tun sich mit den Rückkehrern schwer.

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Bundeswehrsoldaten ruhen sich nach einer anstrengenden Nacht im Distrikt von Charrah Darreh nahe Kundus in einem Außenposten der Local Security Forces aus (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Nach Afghanistan ist nichts mehr wie es war. Vier Buchstaben bestimmen Holger Roßmeiers Leben nach seinem Auslandseinsatz: PTBS, posttraumatisches Belastungssyndrom. Er leidet unter Albträumen, Panikattacken und unkontrollierbaren Aggressionsschüben. Doch die seelischen Verletzungen sind nicht seine einzige Sorge. "Ich finde es beschämend, wenn sich meine Söhne anhören müssen: Dein Vater ist ein Mörder", erzählt der Einsatzsoldat in "Operation Heimkehr", einem Buchprojekt von Journalistin Ulrike Scheffer und Fotografin Sabine Würich. Die porträtierte Soldatin Melanie Baum berichtet darin: "Ich binde auch nicht jedem auf die Nase, dass ich bei der Marine bin. Ich habe schon schlechte Erfahrungen gemacht." Baum wurde von einer ehemaligen Lehrerin als "bezahlte Mörderin" beschimpft.

Holger Roßmeier, Soldat. Porträt aus dem Buch "Operation (Foto: Sabine Würich)
Soldat Holger Roßmeier: "Zu den meisten Menschen dringt die neue Realität der Bundeswehr allerdings kaum durch"Bild: Sabine Würich

Viele Einsatzsoldaten beklagen mangelnde Anerkennung in der Gesellschaft. "Der Bürger auf der Straße interessiert sich nicht für Sicherheitspolitik", sagt Uwe Köpsel vom Deutschen Bundeswehrverband im DW-Gespräch. In der Bevölkerung herrsche ein "Aufmerksamkeitsdefizit", wenn es um das Engagement der Bundeswehr im Ausland gehe. Schwierige Militäreinsätze in Krisengebieten, getötete Soldaten, traumatisierte Veteranen: "Es ist ein unbequemes Thema", meint Köpsel.

Volk will keine Auslandseinsätze

Fakt ist: Rund 4800 Soldatinnen und Soldaten sind derzeit weltweit für die Bundeswehr in Krisenregionen im Einsatz. Viele noch in Afghanistan, aber auch im Kosovo, am Horn von Afrika oder in Mali. "Zu den meisten Menschen dringt die neue Realität der Bundeswehr allerdings kaum durch", sagt Soldat Holger Roßmeier in "Operation Heimkehr".

Gleichzeitig werden Politiker nicht müde zu betonen: Deutschland soll künftig international mehr Verantwortung übernehmen. Und das, obwohl selbst Außenminister Frank-Walter Steinmeier von einem "tiefen Graben zwischen den außenpolitischen Eliten und der breiten Öffentlichkeit" spricht. Denn zwei von drei Deutschen lehnen laut einer Studie der Körber-Stiftung mehr Auslandseinsätze ab. Wie kommt es also zu dieser Kluft zwischen dem, was die Politiker entscheiden und dem, was die breite Masse für richtig hält?

Kriege sind weit weg von Deutschland

Ein Grund: Krieg lässt sich der deutschen Gesellschaft nur schwer vermitteln. Denn seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor inzwischen fast 70 Jahren ist sie Frieden gewohnt. "Diese fernen Einsätze tragen dazu bei, dass das Bild und die Akzeptanz des Soldaten unklar bleiben", sagt Militärhistoriker Klaus Naumann vom Hamburger Institut für Sozialforschung im DW-Interview. Viele denken: Was betreffen uns hierzulande Krisengebiete wie Afghanistan oder Südsudan? Die Auseinandersetzungen sind Tausende von Kilometern entfernt und passen nur schwer zur Lebenswirklichkeit der meisten Deutschen, die in Wohlstand und Frieden leben.

Klaus Naumann, Militärhistoriker (Foto: Bodo Dretzke)
Militärhistoriker Naumann: "Die Öffentlichkeit nimmt die Rückkehrer vor allen Dingen als Opfer des Krieges wahr"Bild: HIS/Bodo Dretzke

Für das mangelnde Interesse in der Bevölkerung macht Klaus Naumann auch die Politik mitverantwortlich. Es werde zu wenig differenziert über komplizierte Einsätze wie Afghanistan berichtet. "Der jährliche Fortschrittsbericht allein reicht nicht aus, um über Erfolg, Misserfolg oder Teilerfolg Auskunft zu geben", kritisiert Naumann. Was genau die Soldaten im Ausland erleben, bleibt somit unklar.

Doch wie kann sich das Bild vom rückkehrenden Soldaten, vom Veteranen wandeln? Braucht Deutschland eine (neue) Veteranenkultur? Und wie sollte diese aussehen?

Braucht Deutschland eine Veteranenkultur?

Interessenverbände wie der Bund Deutscher Veteranen fordern schon lange einen offiziellen Gedenktag. Von Seiten des Verteidigungsministeriums hieß es zwar unter dem damaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière mal, man befürworte einen Veteranentag. Doch seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen hat sich bislang nicht dazu geäußert. Deshalb veranstaltet der Bund Deutscher Veteranen in diesem Jahr kurzerhand selbst einen Veteranentag (31.05.2014).

Ursula von der Leyen beim Truppenbesuch in Afghanistan (Foto: Johannes Eisele/AFP)
Verteidigungsministerin von der Leyen will mehr Auslandseinsätze - Doch was passiert dann mit den Veteranen?Bild: JOHANNES EISELE/AFP/Getty Images

Von der Leyen präsentiert stattdessen ein "Buch des Gedenkens" - auf 20 Bronzetafeln stehen dort die Namen aller seit 1955 im Dienst gestorbenen Soldaten: "Wir zeigen damit: Wir vergessen keinen und keine", so von der Leyen. Jeder einzelne Name stehe für ihren tief empfunden Dank. Anrührende, aber leere Worte oder ehrliches Bemühen um mehr öffentliche Anerkennung?

Melanie Baum, Soldatin. Porträt aus dem Buch "Operation (Foto: Sabine Würich)
Soldatin Melanie Baum: "Ich binde auch nicht jedem auf die Nase, dass ich bei der Marine bin."Bild: Sabine Würich

Die Realität hat sich verändert

Für Uwe Köpsel vom BundeswehrVerband steht jedenfalls fest: "Veteranenkultur ist keine Sache, die man verordnen kann." Sie müsse wachsen. Ein Veteranentag könne dazu beitragen, darf dabei jedoch nicht zum "Alibi-Tag" verkommen, findet auch Klaus Naumann und warnt gleichzeitig vor "Ewiggestrigen, die sich nach rechts radikalisieren."

Es gehe nicht darum, eine Veteranenkultur wie in den USA zu etablieren. Vielmehr um die Anerkennung einer neuen Realität: Deutschland schickt mehr Soldaten ins Ausland - und folglich kehren mehr Soldaten zurück. Zu einem Umdenken in der Gesellschaft können auch Spielfilme oder die Krimireihe Tatort beitragen, die sich mit den Auslandseinsätzen auseinandersetzen. "Das ist zwar teilweise ein Zerrbild", findet Köpsel, "aber besser als nichts." - Auch wenn die schwierige "Operation Heimkehr" traumatisierten Rückkehrern, wie Holger Roßmeier damit nicht erspart bleibt.