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"Chavez unser" empört die Katholische Kirche

Jan D. Walter7. September 2014

Venezuelas sozialistische Partei treibt den Personenkult um den verstorbenen Präsidenten Hugo Chavez voran: Mit einem "Chavez unser"-Gebet. Solche Versuche, Regime oder ihre Köpfe "heiligzusprechen", sind nicht neu.

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Venezuelas jetziger Präsident Nicolas Maduro mit einem Bild des verstorbenen Präsidenten Hugo Chavez, Wahlkampf April 2013 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

"Chavez unser, der du bist im Himmel", lautet der Beginn des "Gebetes des Abgeordneten", das die Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) Anfang September in einem Workshop zur sozialistischen Bildung vorgestellt hat.

Die Antwort des Erzbischofs von Caracas ließ nicht lange auf sich warten: Die Vergötterung eines Menschen sei eine Sünde, mahnte Jorge Kardinal Urosa. Parteichef und Staatspräsident Nicolas Maduro wies die Kritik an der Huldigung für seinen verstorbenen politischen Ziehvater zurück: Beim "Gebet des Abgeordneten" handele es sich lediglich um ein Gedicht wie etwa die Lyrik des chilenischen Nobelpreisträgers Pablo Neruda.

Unbekannt ist, wie viele Menschen Maduro mit seiner Argumentation überzeugen konnte: Die Parallelen zum wohl ältesten und universellsten Gebets der Christen ziehen sich durch den gesamten Text: "Geheiligt werde Dein Name", "Dein tägliches Licht gib uns heute", "und führe uns nicht in die Versuchung des Kapitalismus, sondern erlöse uns von dem Bösen der Oligarchie".

Das mag vordergründig wie politische Folklore oder eine Provokation der politischen Gegner wirken. Aber man dürfe die langfristige Wirkung nicht unterschätzen, meint der katholische Münsteraner Theologe und Historiker Thomas Großbölting: "Hier wird bewusst eine Grenze überschritten, die der Sakralisierung einer bestimmten Politik und ihrer Führungspersönlichkeiten Tür und Tor öffnet."

Mittel der Ideologie

Der Personenkult um Adolf Hitler im Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 sei mit religiösen Elementen gespickt gewesen. "Das fängt bei den Inszenierungen der Parteitage an, in denen 'der Führer' einen Lichtbogen durchschreitet", erinnert Großbölting. Es reiche aber bis hin zu klaren Formen von Messianismus: "Hitler selbst spricht von der Vorsehung, die dem deutschen Volk das Glück beschert hat, ihn zu finden."

Symbolbild Katholische Kirche (Foto: Imago)
Religiöse Symbolik: Oft politisch missbrauchtBild: imago/Christian Ohde

Auch die DDR-Führung hat dieses Schema aufgegriffen. Allerdings deutlich schwächer, räumt der Historiker ein. 1958 verkündete Walter Ulbricht, erster Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei SED, die "Zehn Gebote der sozialistischen Moral und Ethik".

Den scheinbaren Widerspruch zwischen atheistischem Regime und religiösen Anspielungen erklärt Großbölting so: "Das Regime greift ein der Bevölkerung bekanntes Muster auf, um der eigenen Botschaft einen sakralen Charakter zu verleihen." Schließlich seien die Zehn Gebote im Christentum nicht irgendwelche Regeln, sondern das Wort Gottes.

Besonders effektvoll sei das in der DDR aber wohl nie gewesen, auch wenn die SED später eine ganze Serie von jeweils zehn Geboten aufgestellt habe, zu teils sehr profanen Lebenssituationen wie "Fahrten und Transporten". Spätestens damit sei der Versuch ins Lächerliche umgeschlagen, die Erlasse der Regierung mit einer quasi heiligen Bedeutung auszustatten, urteilt Großbölting.

Walter Ulbricht (1893 - 1973), Staatsratsvorsitzender der DDR und SED-Parteifunktionär (Foto: FSU-Fotozentrum)
Walter Ulricht: Ikone der DDRBild: picture-alliance/dpa

Religion und Politik abgrenzen

Vor allem in West-Europa sei die religiöse Grundlage inzwischen zu stark weggebrochen, als dass die Sakralisierung einer Person noch wirken könne, meint der Theologe. Dennoch hält Großbölting es für richtig, dass sich die Katholische Kirche deutlich von solchen Versuchen distanziert und die Grenzen zwischen Politik und Religion klarstellt.

Das könnte gerade in Venezuela wichtig sein, wo Religion für viele Menschen auch nach 15 Jahren sozialistischer Regierung noch eine bedeutende Rolle spielt. Erzbischof Urosa gab sich - nachdem er das "Chavez unser" in scharfen Worten verurteilt hatte - gelassen. Der Tageszeitung "El Espectador" sagte er: "Jeder gläubige Venezolaner wird begreifen, worum es geht."