1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schwarze Schleier und tödliche Entschlossenheit

Christiane Hoffmann3. September 2004

Immer öfter sind an den Anschlägen in Russland auch Frauen beteiligt, die für das Land zum Schreckenssymbol des neuen Terrors geworden sind: Die "Schwarzen Witwen" aus Tschetschenien.

https://p.dw.com/p/5WY1
'Schwarze Witwen': tödliche RacheBild: AP

Die Anschläge auf zwei russische Passagier-Flugzeuge hatten ahnen lassen, dass der Tschetschenien-Konflikt noch lange nicht vorbei ist. Und auch nachdem die Tschetschenen am Wochenende einen neuen Präsidenten von Moskaus Gnaden gewählt haben, gehen die Anschläge weiter. Unter den Terroristen sind immer häufiger tschetschenische Frauen, die sich mit Bomben selbst in die Luft sprengen - die so genannten 'Schwarzen Witwen'. Auch unter den Geiselnehmern in der süd-russischen Schule sollen zwei bis vier jener Frauen gewesen sein.

Alltag in Tschetschenien Polizist
Alltag in TschetschenienBild: AP

Sie sind zwischen 20 und 30 Jahre alt, tragen schwarze Schleier und sind zu allem entschlossen: tschetschenische Frauen, die sich Bomben um den Bauch binden, um für ihre Überzeugungen zu sterben und andere mit in den Tod reißen - auch vor Kindern schrecken sie nicht zurück. Sie alle haben in den vergangenen zehn Jahren, seit der Konflikt in Tschetschenien schwelt, Leid, Willkür und Straflosigkeit erfahren, wie die Autorin Alexandra Cavelius erzählt, die eine solche Frau porträtiert hat: "Seit ihrer Kindheit kennen sie nichts anderes als Plünderung, Folter und Vergewaltigung. Ihre Brüder, Söhne oder Verwandten wurden von russischen Einheiten verschleppt und ermordet. Hinter ihren Taten steckt weniger Ideologie als vielmehr Verzweiflung."

Geisterstadt Grosny
Geisterstadt Grosny. Die zerstörte tschetschenische Hauptstadt GrosnyBild: AP

Verbindungen zu El-Kaida

Zum ersten Mal hat sich eine Frau vor vier Jahren in Tschetschenien mit Sprengstoff getötet. Es waren auch Frauen, die vor zwei Jahren im Moskauer Musical Theater Hunderte Menschen über Tage in ihrer Gewalt hielten. Und auch für den Absturz der beiden Flugzeuge sowie den Anschlag in Moskau in der vergangenen Woche werden die "Schwarzen Witwen" verantwortlich gemacht.

Russland-Experte Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin beobachtet einen zunehmenden Kult des weiblichen Selbstmordattentäters: "Die 'Schwarze Witwen' gehören regelrechten Brigaden an, die angeblich unter dem Kommando des tschetschenischen Topterroristen Shamil Basajew stehen." Offenbar hat er seine Drohungen wahrgemacht, seine "Frauen-Brigaden" nach Russland ausschwärmen zu lassen und in Moskau und anderen Städten Tod und Verderben zu verbreiten. "Sieg oder Paradies" lautet die Losung der Bassajew-Truppe, der auch Kontakte zum internationalen Terrornetzwerk El Kaida nachgesagt werden.

Gehirnwäsche für tschetschenische Frauen

Geiselnahme an Schule in Nordossetien
Geiselnahme an Schule in NordossetienBild: dpa

Die Frauen würden häufig von Extremisten auf der Straße angesprochen und dann über Wochen einer Gehirnwäsche unterzogen, bis sie bereit seien, in den Tod zu gehen, wie die Autorin Cavelius berichtet. Auch an der jüngsten Geiselnahme in Nord-Ossetien sollen laut Zeugenaussagen 'Schwarze Witwen' beteiligt gewesen sein, die sich jedoch bereits am ersten Tag der Geiselnahme in die Luft gesprengt haben sollen.

Zu der Tat haben sich die so genannten Islambuli-Brigaden bekannt. Halbach: "Es gibt verschiedene Berichte, was die Anwerbung solcher Frauen durch arabische Islamisten betrifft. Es gibt Hinweise darauf, dass in Tschetschenien zunehmend die Familien gespalten werden, dass gewissermaßen die Front zwischen dem traditionellen Islam und dem märtyrerorientierten wahabitischen Islam durch die Familien hindurchgeht."

Trotz allem - der Schlüssel für den Konflikt liegt in Moskau. Solange die russische Regierung ihren bisherigen kompromisslosen Kurs beibehält, werden wohl weiter Anschläge verübt und es werden wohl auch weiter Frauen sein, die freiwillig in den Tod gehen. Obwohl ihre Kultur das eigentlich verbietet.